August-September 1870 4 [1-10]
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Erlangen Samstag den 20. August.
Hier seit acht Tagen: Samstag mit einem Zuge, der verwundete Preussen Franzosen und Turcos enthielt, angekommen. Früh von Lindau aus: Mosengel, Schwester und ich. Im Wallfisch einlogirt, breit und bequem. Unsere Karten noch Abends an Heinecke geschickt: um über die Felddiakonie Auskunft zu bekommen. Damit bekannt geworden durch eine Nummer der Augsburger am selben Tage.
Sonntag. Heinecke ist nicht hier. Besuch bei Ziemsen, dann bei Ebrard. Im Hospital mit Dr. Hess bekannt geworden, Ziemsen verspricht, mit uns im Lauf der Woche abzureisen. Abends bei der Visite, Mosengel als Interpret. Jeden Morgen ½ 9-10 Verbandlehre bei Hess. Früh um 7, Abends um 6 bei der Visite.
Montag Abend. In der Harmonie, ein Chassepot vorgelegt. Dienstag Besuch von Plitt. Donnerstag Abreise meiner Schwester nach Oelsnitz. Alle zwei Tage Schlachtnachrichten. Heute (Samstag) Telegramm des Königs über den entscheidenden Sieg unter seiner Führung. Wir chloroformirten gerade einen Franzosen zu einem Gypsverband (die Hand ist zerschossen: er rief in der Narkose “mon dieu mon dieu je viens”), vorher ein Mädchen von elf Jahren, Sequester im Bein zu entfernen. Ein paar Tage vorher in einem Hause einen Jungen mit grosser Kopfwunde chloroformirt; viel Mühe. Gestern starb ein Preusse im Hospital, Schuss in die Lunge, heute ein zweiter. Gutes Befinden eines Preussen “Liebig”: viel Appetit, guter Schlaf, doch wenig Hoffnungen, Armknochen zersplittert, kein Gypsverband möglich. Die Turcos gefallen uns, angenehme Kranke.
Schreckliche Professorenexemplare als Tischvisàvis, Kraus (Botaniker, von uns genannt “Süssmaul”) und Lommel (genannt Schnoller, gleichsam ein Bierbrauer, aber Physiker).
Gestern Brief von Tribschen. Sofort mit einer Composition beantwortet.— Wunderbare Schicksale von Mosengel in Paris, Liebesgeschichte und undurchdringlicher Stoff eines ungarischen Grafen (vom Kaiser beim Orsinischen Attentat getragen?).
Ausbruch der Diphtheritis im Spital. Der Prof. Reinsch und Familie: fürchterliche Angst erregt. Preussenbegräbniss mit Schwarzrothgold.
Montag. Auftrag vom Verein, der uns Souverainität giebt. Abfahrt mit Ziemsen. In Nürnberg selbständig. Wir nach Stuttgart (50 Napol. Cigarrenkiste).
(In Erlangen widerwärtige Tischgespräche, entsetzliche Baiernrohheit und Philisterei.)
Die “stotzige” Periode endet mit der Abreise meiner Schwester. Eines Abends in einer Studentenkneipe mit Hess (die “Baireuther”).
Grosse Bummelei des Zuges: wir kommen Dienstag nur bis Nördlingen. Dort ein Baseler Arzt im Gasthof (Dr. Courvoisier).
Mittwoch—früh fort 5 Uhr: während der Wirth uns belogen hat, sind wir mit schnellem Zuge bis Stuttgart, von da bis Carlsruhe (½ 4 Uhr), hier verpassen wir um eine halbe Minute den Zug nach Maxau und sind darüber froh, weil es keinen Anschluss von dort gab. Wir essen im Hotel d’Angleterre sehr gut zu Abend und logieren im Hotel Prinz Max: gut. Ungeheurer Schlaf. Um ½ 8 Donnerstag nach Maxau mit einem Dragonerhauptmann, dort kein Anschluss bis ½ 2. Wir sitzen zusammen in einem Hôtel. (In Carlsruhe kaufen wir Wurst und Burgunder für die Feldflasche.)
Ehrensalven vom Bürgermeister.
Königs Geburtstag. Jude als Wirth. Dann bis Winden. Hier mit Bremse weiter. Abends in Weissenburg, schönste Abendbeleuchtung, alterthümliche Stadt befestigt, wir logiren im Engel: gut. Ein Lübecker ist dort, der eine Sendung für 24000 Thaler begleitet hat. Dr. Edler Richter. Freitag Regen. Weg zum Gaisberg verunglückt. Zwei Züge verpasst. Um ½ 1 eingesetzt, um 3 fort nach Sulz, geschwätziger Rheinbayer. In Sulz im Hirsch, schöne Gaststube, dann mit Stabsarzt und baierischem Hauptmann zusammen. Gut gegessen. Sonnabend Morgen nach Gersdorf, schöne Lage, Maire Pfarrer. Keine Nachricht. Wörth Begräbniss Tornister und Gewehre aufgeladen. Sehr theuer, Zeitungen fehlen. Schlacht.