Sommer 1875 9 [1-2]
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| Die Erhaltung der Energie. Von B. Stewart. |
Das Universum—eine Maschine, die aus Atomen und einer Art von Medium zwischen ihnen zusammengesetzt ist: die Gesetze der Energie sind die Gesetze, welche die Wirkung dieser Maschine beherrschen.
Capitel I.
Unsere Unkenntniss der Einzelwesen, während wir oft die Gesetze kennen, welche die Gemeinschaften bestimmen. Bei einer sehr niedrigen Temperatur ist die Sterblichkeit in London eine viel größere. Das steht fest, nicht aber, wie ein beliebiger Todesfall durch die niedere Temperatur verursacht sei. Nach einer schlechten Ernte findet stets eine große Einfuhr von Getreide statt; den Weg des einzelnen Theilchens Mehl können wir nicht angeben. Es giebt eine fortwährende Luftströmung nach dem Aequator; aber niemand kann von einem einzelnen Theilchen Luft die Bewegungen angeben. So im Planetensystem, in der Politik der Nationen. Das Naturgesetz aller Einzelwesen ist sehr verwickelt, ob es nun lebende Wesen sind oder leblose Theilchen der Materie; eine große Schlacht wüthet, das Schlachtfeld ist uns oft verborgen; was die Einzelwesen darin thun, sehen wir nicht, aber das Ergebniß des Kampfes können wir beurtheilen, sogar oft vorhersagen. Das der Gemeinschaft erreichbare Gesammtresultat wird durch einfache Gesetze bestimmt.
Man vermuthet, daß eine große Anzahl von Krankheiten durch organische Keime veranlaßt werden; unsere Unkenntniß von denselben ist vollkommen. Die Luft wimmelt von solchen, sie kämpfen miteinander, wir sind die Beute der stärkeren. So sind wir mit einer ganzen Welt von Geschöpfen auf’s Innigste verknüpft und kennen sie nicht besser als die Bewohner des Mars.
Aber doch kennen wir einige Eigenthümlichkeiten dieser Raubstaaten z. B. daß die Cholera hauptsächlich eine Krankheit der Tiefebenen ist, daß wir auf das Trinkwasser zu achten haben.— Die Impfung steuert die Verheerung durch die Blattern, aber wir sind wie Gefangne, die sich verstümmeln müssen, um sich für ihren siegreichen Gegner werthlos zu machen; so daß er sie frei läßt.
Noch größer unsre Unkenntniß der Moleküle der unorganischen Materie.
Ein Molekül Sand ist das denkbar kleinste Ding, das noch alle Eigenschaften des Sandes besitzt; eine weitere Theilung, falls sie möglich wäre, würde es in seine chemischen Bestandtheile, Kiesel und Sauerstoff, zerlegen. Jedenfalls geht die Zertheilung nicht in’s Unendliche. Vergrößert man einen Wassertropfen bis zum Umfang der ganzen Erde: so würde ein einziges Molekül etwas größer als eine Flintenkugel, etwas kleiner als ein Cricketball sein. Wir kommen nie dahin, die letzten Moleküle sichtbar zu machen; die allergrößten Massen des Weltalls haben mit den allerkleinsten dies gemein, daß sie sich den menschlichen Sinnen entziehn: die erstern zu weit entfernt, die letztern zu klein.
Diese Moleküle in beständiger Bewegung und in Kampf auf einander stoßend: bis etwa ein Schlag mächtig genug ist, die zwei oder mehr einfachen Atome zu trennen, aus denen ein Molekül zusammengesetzt ist. Dann tritt ein neuer Zustand der Dinge ein. Unsterblich ist das Grundatom, aber fortwährend bewegt. Dies ist eine neue Schranke für unsere Erkenntniß, es sitzt nicht still.
Gleichheit von Wirkung und Gegenwirkung.
In jedem System, das sich selbst überlassen bleibt, mögen starke innre Kräfte zwischen den verschiednen Theilen wirksam sein, Wirkungen und Gegenwirkungen gleichen sich aber aus, das System verharrt in Ruhe. Eine hohle Glaskugel mit zahlreichen lebhaft sich bewegenden Goldfischen, ganz leicht auf Räder gesetzt, steht still, selbst wenn die Tischfläche eine glatte Eisfläche wäre: es ist ein System. Ein anderes ist die Flinte mit Pulver und Blei: während die Kugel vorwärts geschleudert wird, wird der Flintenkolben rückwärts geschleudert. Wenn die Flinte 3000 Gramm, die Kugel 30 Gramm wiegt und die Kugel per Secunde 300 Meter vorwärts geschleudert wird: dann die Büchse mit der Geschwindigkeit von 3 Meter rückwärts geschleudert. Also 3000 gr 3 m = 30 gr 300 m. — Werfe ich einen Stein von einem Abhang auf die Erde, so scheint die Bewegung nur eine Richtung zu haben, in Wahrheit ist sie das Resultat einer gegenseitigen Anziehung von Stein und Erde. Die Erde bewegt sich wirklich aufwärts, dem Stein entgegen, ganz unmerklich: aber, da die Masse der Erde sehr groß ist im Vergleich mit der Masse des Steins, so muß die Geschwindigkeit außerordentlich gering sein. st gw Schnelligk. nach abwärts = Erdgw Schnell. nach aufwärts. Allgemein: wenn A seine anziehende oder abstoßende Kraft auf B ausübt, so zieht B wiederum A an oder stößt es ab. Trotz unsrer Unkenntniß der Einzelwesen läßt sich dies Gesetz erkennen.
“Bewegungsgröße” ist das Produkt der Masse und der Geschwindigkeit. Bei der Flinte sind also die Bewegungsgrößen in beiden Richtungen gleich. Was unterscheidet doch hier die Flintenkugel und den Büchsenkolben? Die Flintenkugel kann Widerstand überwinden: diese durchdringende Gewalt ist das Merkmal einer mit sehr großer Geschwindigkeit begabten Substanz. Nennen wir dies Vermögen Energie: sie steht im Verhältniß zum Gewicht oder zur Masse des Körpers. Es ist dasselbe, ob eine Kugel von 60 gr Gewicht sich mit Geschwindigkeit von 100 Meter per Sec bewegt oder 2 Kugeln, jede von 30 gr.— Aber die Energie steht nicht im einfachen Verhältniß zur Geschwindigkeit; sie wächst viel schneller mit der Geschwindigkeit. Wird die Geschwindigkeit einer Kugel verdoppelt, so wächst ihre Energie nahe aufs Vierfache. Ist die Geschwindigkeit
2(fach), dann die Energie 4(fach)
3(fach), dann die Energie 9(fach)
Die Energie ändert sich nach der Quadratzahl ihrer Geschwindigkeitszahl.
Wie sollen wir nun Arbeit messen? Als Einheit des Gewichts das Kilogramm (2 Zollpfund), als Einheit der Länge den Meter (= 3,186 rhein. Fuß).
Heben wir nun ein Kilogramm 1 Meter hoch, so wenden wir Energie auf: diese betrachten wir als Arbeitseinheit: Kilogrammeter.
Multiplizirt man das gehobene Gewicht (in Kilogr) mit der senkrechten Höhe (in Met.), durch welche es gehoben wird, so erhält man als Resultat die geleistete Arbeit (in Kilogrammetern). Die Energie ist dem Quadrate der Geschwindigkeit proportional, ob wir nun die Energie an der Dicke der Bretter, welche er durchdringen kann oder an der Höhe messen, zu welcher er, der Schwerkraft entgegen, aufsteigen kann.