Winter 1880-81 8 [1-120]
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Wie kommt man darauf, Jemanden zu ehren, weil er eines tiefen und mannichfaltigen Mitleids fähig ist und leicht dazu erregt wird? Er muß unglücklicher sein als die Anderen und immer darauf aus, die Anderen zu trösten, aufzuhelfen usw. also sein Unglücklichsein ist angenehm 1) weil es eine Wirkung unserer Leiden zeigt 2) weil es die Aussicht auf Abhülfe des Leidens, auf Milderung zeigt. Wir ehren ihn, weil er anders ist als wir erwarten?—aber warum verachten wir ihn nicht? Weil, wenn wir ihn nicht ehrenswerth empfinden, unsere Wirkung auf ihn nichts Lustvolles für uns hat. Es ekelt uns, Eindruck auf erbärmliche Seelen zu machen. Es geht also unsere geheime Neigung dahin, ihn uns als tüchtigen guten achtungswerthen Menschen zu denken. Außerdem wollen wir nicht von schlechten Gesellen bemitleidet sein: es setzt uns vor uns herab! Also: wann demüthigt das Bemitleidetwerden nicht? Wenn es erhebt! Das thut es, wenn ein hochansehnlicher Mensch (durch Herz Geist Stellung usw.) oder ein Gott mit uns empfindet—also wenn eine Gleichsetzung stattfindet, die uns zu Ehren gereicht (wodurch wir uns höher gehoben fühlen!!) Also: wir ehren gern den Mitleidenden, damit wir den Genuß an unserer eigenen Erhebung haben können! oder weil!