Winter 1876 - 1877 20 [1-21]
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17. — — — Um das Beispiel einer übermässigen und fast verunglückten Inoculation zu nehmen: die Deutschen, ursprünglich von jener ausserordentlichen Geschlossenheit und Tüchtigkeit, welche Tacitus, der grösste Bewunderer ihrer Gesundheit, schildert, wurden durch die Inoculation der römischen Cultur nicht nur verwundet, sondern fast bis zum Verbluten gebracht: man nahm ihnen Sitte, Religion, Freiheit, Sprache, so viel man konnte; sie sind nicht zu Grunde gegangen, aber dass sie eine tief leidende Nation sind, haben sie durch ihr seelenvolles Verhalten zur Musik bewiesen. Kein Volk hat so viel wunde Stellen, wie die Deutschen, und eben desshalb haben sie eine grössere Begabung zu jeder Art von Freigeisterei.— Ich will bei dieser Betrachtung absichtlich bei dem Menschen verbleiben und mich hüten, aus den Gesetzen über die menschliche Veredelung auf Grund der schwächeren und entarteten Naturen, Schlüsse auf die thierischen Naturen und deren Gesetze zu machen.— Aus dieser ganzen Betrachtung kann der Freigeist den Beweis entnehmen, dass er auch den gebundenen Geistern nützlich ist: denn er hilft dazu, dass das Product der gebundenen Geister, ihr Staat, ihre Cultur, ihre Moral nicht erstarren und absterben; er lässt in Stamm und Aeste immer von Neuem den belebenden Saft der Verjüngung fliessen.