Sommer 1880 4 [101-200]
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Da es mehr als je individuelle Maßstäbe giebt, so ist wohl auch die Ungerechtigkeit größer als je.— Der historische Sinn eine moral[ische] Gegenkraft. Das Wehethun durch Urtheile ist jetzt die größte Bestialität, die noch existirt. Es giebt keine allgemeine Moral mehr; wenigstens wird sie immer schwächer, ebenso der Glaube daran unter den Denkern.
Es giebt genug Menschen, welche ohne Moral leben, weil sie dieselbe nicht mehr nöthig haben (wie solche die ohne Arzt Medizin peinliche Prozeduren leben, weil sie gesund sind und entsprechende Gewohnheiten haben) Moralisch bewußt leben—setzt Fehlerhaftigkeit voraus und deren Druck und Folgen d. h. wir haben unsere Existenzbedingungen noch nicht gefunden und suchen sie noch.
Für das Individuum, so weit es kein Denker ist, hat Moral ein begrenztes Interesse: so lange es ihm nicht wohl, nicht regelmäßig zu Muthe ist, denkt er nach den Ursachen und sucht moralische, da andere ihm als Schlechtgelehrten unbekannt sind. Die Fehler seiner Constitution seines Charakters in die Moralität sich schieben, an seiner Krankheit schuld sein wollen—ist moralisch!