Sommer 1880 4 [201-323]
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Alle Griechen (v. Gorgias Plato’s) glaubten, der Besitz der Macht als Tyrann sei das beneidenswertheste Glück: die Ruchlosigkeit desselben vorausgesetzt. Alle waren bemüht, das Entstehen dieses Allerglücklichsten zu verhindern und, wenn er existirte, ihn zu hindern oder zu vernichten. Das höchste Glück, an das jeder glaubte, wurde ganz in das Gefühl der Macht gelegt: dieser Zustand aber als das absolut Unsittliche (Sittenfeindliche d. h. Individuelle Egoistische) behandelt. Man verabscheute und fürchtete den Glücklichen: in seinem Übermuth schont er niemanden. Allmacht wäre in ihren Augen vollendete Rücksichtslosigkeit und Teufelei, nicht zwar Lust zu schaden, sondern Opferung Aller für die Lust des Tyrannen. Ganz so verfährt nun auch der Tyrann des Geistes, er ist der Glücklichste und Gewissenloseste.
Gerecht sein ein fortwährendes Opfer, nur zu ertragen in Hinsicht auf den Ruhm bei der Gesellschaft (d. h. auf ein Gefühl der Macht): ohne diesen Erfolg gerecht sein wäre das entsetzlichste Loos. Das ist griechisch gedacht. Aber ohne gerecht zu sein (ohne diese Mühen und Aufopferungen) den Lohn der Gerechtigkeit, den Ruhm haben erschien als das größte Glück. Der praktische Ausweg (da der zum Tyrannen gewöhnlich verschlossen war) war: der Schein der Gerechtigkeit: so wie Napoleon in Worten und Handlungen den edleren Trieben seinen Beifall, ja Lohn zollte und so ihren Glanz für sich gewann. Die Gleichheit der Bürger ist das Mittel zur Verhinderung der Tyrannei, ihre gegenseitige Bewachung und Niederhaltung. Hätte man den Ring des Gyges, so wäre ein jeder ungerecht.— Offenbar haben diese Gleichen über das Glück des Tyrannen wild phantasirt, es war die Begehrlichkeit ihrer Phantasie; noch in der Tragödie ist es des großen Paradoxons, “König sein und unglücklich,” “nicht einmal den Perserkönig beneiden” Ausdruck. Ausdruck. Das Gefühl der Macht reiche aus, alle Mühsal des Regierens, alle Furcht usw. weit aufzuwiegen (Xenophon’s Hiero ist die sokratische Paradoxie, daß nicht viel am Glück des Tyrannen ist!) Der Tugendhafte sei der glückliche—das klang wie verrückt : die Enthaltung war ja so lästig! Zuletzt blieb aber der Tugend stolz des Stoikers übrig, der König und Weise ist: das neue Gefühl der Macht: man kann ihn mit nichts unterwerfen, er regiert.— Jede Philosophie hatte ihre herrische Seite: die Epicureer triumphirten, den Acheron besiegt zu haben und die Todesfurcht, die Furcht vor der Natur: also Herren der Natur zu sein.