Sommer 1880 5 [1-49]
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Wenn einer immer von seinen eigenen Handlungen überrascht wird (wie die wild Leidenschaftlichen) also er keine Vorausberechnung über sich machen kann, dann zweifelt er an seiner Freiheit, und oft redet man da von dämonischen Einflüssen. Also die Regelmäßigkeit, mit der gewisse Vorstellungen und Handlungen in uns folgen, bringt uns auf den Glauben, hier frei zu sein: berechnen zu können, vorherzuwissen! d. h. man leitet aus der Allwissenheit Gottes die Allmacht ab—ein gewöhnlicher Denkfehler. Das Gefühl der Macht im Intellekt[uellen] welches sich beim Vorherwissen einstellt, verknüpft sich unlogisch mit dem, was vorhergewußt wird: als Propheten bilden wir uns ein, Wunderthäter zu sein. Die Thatsache ist: “in dem und dem Falle pflegen wir das zu thun.” Der Schein ist “es ist der und der Fall: ich will jetzt dies thun.” Wollen ist ein Vorurtheil. Es geschieht etwas immer und durch uns, und ich weiß vorher, was daraus wird und schätze es hoch, daß dies geschieht. Es begiebt sich trotz alledem ohne unsere Freiheit und häufig wider unser oberflächliches Wissen: wir sagen dann erstaunt “ich kann nicht, was ich will.” Wir sehen unserm Wesen nur zu, auch unserm intellektuellen Wesen: alles Bewußtsein streift nur die Oberflächen.