Herbst 1881 14 [1-26]
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Es ist eine Haupterkenntniß, daß bei der Werthschätzung aller Dinge der Mensch allem Gewöhnlichen und noch mehr allem schlechthin Unentbehrlichen einen niederen Werth gab. Das Gewöhnliche war dem Ungemeinen entgegengesetzt, als das “Gemeine”—: das Unentbehrliche als ein Zwang dem, was der freie Mensch sich willkürlich verschaffen kann oder nicht kann, dem Überflüssigen, Luxushaften des Lebens. So wurde alles, was nöthig ist und alles, was üblich ist, zum Geringen: alles Fatum wurde Gemeinheit. Laune Willkür freier Wille der aristokratische Hang des Herrschenden und beliebig Befehlenden, die Leidenschaft für alles Seltene Schwer-zu-erlangende—das war das Merkmal des höheren Menschenthums: damit erst glaubte der Mensch nicht mehr Thier zu sein. Die Klugheit und die Erfahrung zwar schrieben ihre Gesetze dem Handelnden vor und wiesen unerbittlich auf das Nöthige und das Übliche hin—aber die höhere Empfindung trennte sich oft genug von der Klugheit und gab dem Unnöthigen und dem Ungewöhnlichen und daher meisthin auch Unklugen den Vorrang. So ist auf die Dauer der Boden unseres Lebens und unserer ganzen Lebensart—das ist und bleibt doch immer das Nöthige und Gewohnheitsmäßige—von den höheren Empfindungen entkleidet worden! Essen und Wohnen und Zeugen, der Handel, der Erwerb, das Geschäft ja selbst das gesellschaftliche Leben hat sich vom Ideale abgetrennt—und die Sorge für sich selber, selbst in ihrer feinsten Form, ist mit einem Makel behaftet, welchen der Tadel des Egoismus und das Lob der Selbstlosigkeit zu verstehen giebt.