Mai-Juni 1883 9 [1-59]
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Zu heftig strömt dein Quell; er leert zugleich den Becher, indem er ihn füllen will.
Gräten und Muscheln und was sonst an spaßhaften Dingen vom Tisch des Lebens abfällt
Deine Wohlthaten sollen fallen wie der Thau auf das Gras, dann, wenn die Nacht am verschwiegensten ist.
Gerade von dir, dem ich alles Böse zutraue, erwarte und will ich das Gute
Du sollst Nutzen und Nothdurft heißen, was Nothdurft und Nutzen ist und den Namen der Tugend heilig halten.
Nicht Grund, noch Zweck deines Handelns macht dein Handeln gut, sondern ob deine Seele dabei zittert und erglänzt.
Was wäre eine Gnade üben, wenn es nicht hieße: eine Ungerechtigkeit auf sich nehmen?
Sind deine Schultern stark genug dazu, wohlan, so nimm fremdes Unrecht zu dem deinen hinzu: und man soll deine Gnade preisen.
Erkennen: das heißt: alle Dinge zu unserem Besten verstehen!
“Ich will,” “du sollst,” “er muß”—also verstehen sie Ich Du und Er.
Herrisch tritt das Erlebniß auf mich zu: aber kaum ist es erlebt, so liegt es auch schon auf den Knien.
Fühlst du den Durst und den heißen Athem der Sonne? Sie will am Meere saugen. Siehst du die Begierde des Meeres sich heben mit tausend Busen? Es will geküßt und gesaugt sein vom Durste der Sonne