Sommer 1883 12 [1-49]
12 [1]
“Böse Weisheit.”
Sprüche und Sprüchwörtliches
von
Friedrich Nietzsche.
Pfeile.
Sprüche und Sprüchwörtliches
von
Friedrich Nietzsche.
1. Öffentliche Meinungen—private Faulheiten.
2. Überzeugungen sind gefährlichere Feinde der Wahrheit als Lügen.
3. Viele sind hartnäckig in Bezug auf den einmal eingeschlagenen Weg, Wenige in Bezug auf das Ziel.
4. Erst muß die Schlange zum Drachen geworden sein, damit Einer an ihr zum Helden werden könne.
5. Gar nicht von sich reden ist eine sehr vornehme—Heuchelei.
6. Nicht wenn es gefährlich ist, die Wahrheit zu sagen, findet sie am seltensten Vertreter—, sondern wenn es langweilig ist.
7. Wir sind so gern in der freien Natur, weil diese keine Meinung über uns hat.
8. Die Unvernunft einer Sache ist kein Grund gegen ihr Dasein, vielmehr eine Bedingung desselben.
9. Die eherne Nothwendigkeit, von der die Menschen reden, ist gewöhnlich weder ehern, noch nothwendig.
10. Wenn man viel hineinzustecken hat, hat ein Tag hundert Taschen.
11. Wer schlecht hört, hört immer noch Einiges dazu.
12. Man ist am meisten in Gefahr, überfahren zu werden, wenn man eben einem Wagen ausgewichen ist.
13. Warten macht unmoralisch.
14. Der Jünger eines Märtyrers leidet mehr als der Märtyrer.
15. Der Vortheil des schlechten Gedächtnisses ist, daß man dieselben guten Dinge mehr mal zum ersten Male genießt.
16. Ein Beruf ist das Rückgrat des Lebens.
17. Die Güte einer Ehe bewährt sich dadurch, daß sie einmal eine Ausnahme verträgt.
18. Wenn man keinen guten Vater hat, so soll man sich einen anschaffen.
19. Man empfindet die Langeweile nicht, wenn man niemals ordentlich arbeiten gelernt hat.
20. Einige Männer haben über die Entführung ihrer Frauen geseufzt, viele darüber, daß Niemand sie ihnen entführen wollte.
21. Es ist zu bezweifeln, ob ein Vielgereister irgendwo in der Welt häßlichere Gegenden gefunden hat als im menschlichen Gesichte .
22. Muthige Leute überredet man dadurch zu einer Handlung, daß man dieselbe gefährlicher darstellt als sie ist.
23. Das beste Mittel, verlegenen Leuten zu Hülfe zu kommen, ist, daß man sie entschieden lobt.
24. Man kann höchst passend reden und doch so, daß alle Welt über das Gegentheil schreit: nämlich dann, wenn man nicht zu aller Welt redet.
25. Der Phantast verleugnet die Wahrheit vor sich, der Lügner nur vor Anderen.
26. Jeder Genießende meint, dem Baume habe es an der Frucht gelegen; aber ihm lag am Samen.
27. Wer Jemandes Ideal geschaut hat, ist dessen unerbittlicher Richter und gleichsam sein böses Gewissen.
28. Die Anhänger eines großen Mannes pflegen sich zu blenden, um sein Lob besser singen zu können: arme Singvögel!
29. Was ist Genie? Ein hohes Ziel und die Mittel dazu wollen.
30. Das Schlechte gewinnt durch die Nachahmung an Ansehen, das Gute verliert dabei, namentlich in der Kunst.
31. Man muß sein Licht zu verdunkeln verstehen, um die Mücken und Bewunderer loszuwerden.
32. Es ordnet dich tief unter jenen, daß du die Ausnahmen festzustellen suchst, jener aber die Regel.
33. Jeder Meister hat nur Einen Schüler: und der gerade wird ihm untreu. Denn er ist auch zur Meisterschaft bestimmt.
34. Es spricht nicht gegen die Reife eines Geistes, daß er einige Würmer hat.
35. In der Einsamkeit frißt sich der Einsame selbst auf, in der Vielsamkeit fressen ihn die Vielen. Nun wähle.
36. Anders liebt der Gesell, anders der Meister den Meister.
37. Man wird die Menge nicht eher zum Hosiannah-Rufen bringen, als bis man auf einem Esel in die Stadt einreitet.
38. Unsere Anhänger vergeben es uns nie, wenn wir gegen uns selber Partei ergreifen.
39. Das Weib ist der Müssiggang des Schöpfers an jedem siebenten Tage.
40. Man muß sich in Acht nehmen, nicht zu zeitig scharf zu werden, weil man damit zu zeitig—dünn wird.
41. Wen man lange im Vorzimmer seiner Gunst stehn läßt, der geräth in Gährung und wird sauer.
42. Die Eitelkeit ist am Stolzen die Maske der Höflichkeit.
43. Der Witz ist das Epigramm auf den Tod eines Gefühls.
44. Eine gute Sentenz ist zu hart selbst für den Zahn der Zeit.
45. Ein gutes Buch macht auch noch seine Gegner geistreich.
46. In der Kunst können heilige Mittel einen niederträchtigen Zweck heiligen.
47. Wenn dein Werk den Mund aufthut, sollst du selber das Maul halten.
48. Was man euch in Stücken geben muß, braucht deshalb noch nicht Stückwerk zu sein.
49. Gute Gedanken, die zu rasch auf einander folgen, verdecken sich einander “die Aussicht.”
50. Aufopferung ist bei jeder Handlung, bei der besten wie bei der schlechtesten.
51. Ob man einen Schlangenzahn habe, weiß man nicht eher, als bis Jemand die Ferse auf uns gesetzt hat.
52. Findet Jemand in einem geschenkten Sack Vortheil auch nur ein Korn Demüthigung, so macht er doch noch eine böse Miene zum guten Spiel.
53. Man weiß von Jedermann etwas zu Viel.
54. Die Mutter der Ausschweifung ist nicht die Freude, sondern die Freudlosigkeit.
55. Besser noch, sich mit schmutzigem Wasser waschen als unrein bleiben.
56. Alles, was Gold ist, glänzt nicht: es ist zu mild dafür.
57. Man soll die Gerüste wegnehmen, wenn das Haus gebaut ist.
58. Etwas Gesundheit ab und zu ist das beste Heilmittel.
59. Der gefährlichste Anhänger ist der, dessen Abfall die ganze Partei vernichten würde—also der beste Anhänger.
60. Die größte Almosenspenderin ist die Feigheit.
61. Die Menschen drängen sich zum Lichte, nicht um besser zu sehen, sondern um besser zu glänzen.
62. Bevor man “den Menschen sucht,” muß man die Laterne gefunden haben.
63. Jedes Wort ist ein Vorurtheil.
64. Für den Freund des gesuchten Stils ist der gefundene Stil eine Ohrenqual.
65. Wenn die Tugend geschlafen hat, wird sie frischer aufstehn.
66. Der Asket macht aus der Tugend eine Noth.
67. Unter den Verbrechern soll man nicht die Schufte suchen, sondern unter denen, die nichts “verbrechen.”
68. Die witzigsten Autoren erzeugen ein unmerkliches Lächeln.
69. Die Antithese ist die enge Pforte, durch welche sich am liebsten der Irrthum zur Wahrheit schleicht.
70. Mit einem Talente mehr steht man unsicherer als mit einem weniger.
71. Man vergißt seine Schuld, wenn man sie einem Anderen gebeichtet hat.
72. “Soll das Band nicht reißen—mußt du mal drauf beißen.”
73. Je höher wir uns erheben, um so kleiner erschienen wir denen, welche nicht fliegen können.
74. Wie gut klingen schlechte Musik und schlechte Gründe, wenn man auf einen Feind los marschirt!
75. Zur Meisterschaft eines Meisters gehört es, seine Schüler vor sich zu warnen.
76. Warum sieht der Mensch die Dinge nicht? Er steht sich selber im Wege; er verdeckt die Dinge.
77. Wer seinen Gegner tödten will, mag erwägen, ob er ihn nicht gerade dadurch bei sich verewigt.
78. Immer noch hilft gegen die Liebe in den meisten Fällen jenes alte Radikalmittel: die Gegenliebe.
79. Manche Menschen haben das beste Recht, so und so zu handeln. Aber wenn sie sich darob vertheidigen, glaubt man’s nicht mehr.
80. Von allen Trostmitteln thut Trostbedürftigen nichts so wohl als die Behauptung, für ihren Fall gebe es keinen Trost.
81. Lebhafte Naturen lügen nur einen Augenblick: nachher haben sie sich selber belogen und sind überzeugt und rechtschaffen.
82. Sich mitten unter die Feinde werfen kann das Merkmal der Furcht und Feigheit sein.
83. Der Furchtsame weiß nicht, was Alleinsein ist: hinter seinem Stuhle steht immer ein Feind.
84. Wir wollen nicht mehr die Ursachen zu Sündern und die Folgen zu Henkern machen.
85. Man soll die Bettler abschaffen; denn man ärgert sich, ihnen zu geben, und ärgert sich, ihnen nicht zu geben.
86. Gelehrte: so nennt man heute sowohl die Soldaten des Geistes als—leider—auch die Strumpfwirker des Geistes.
87. Das Herz ist es, das begeistert: und der Geist ist es, der beherzt und kalt in der Gefahr macht. Oh die Sprache!
88. Man lügt mit der Zunge, aber mit dem Munde und Maule sagt man trotzdem die Wahrheit.
89. Der Mensch ist das Thier mit rothen Backen: der Mensch ist das Thier, welches sich oft hat schämen müssen.
90. Viel von sich reden ist auch ein Mittel sich zu verbergen.
91. Ihr glaubt, wie ihr sagt, an die Nothwendigkeit der Religion? Seid ehrlich! Ihr glaubt nur an die Nothwendigkeit der Polizei.
92. Die Frauen sind sinnlicher als die Männer, aber sie wissen weniger um ihre Sinnlichkeit.
93. Moral ist eine Wichtigthuerei des Menschen vor der Natur.
94. Wir loben, was nach unserem Geschmack ist: d. h., wir loben, wenn wir loben, unseren Geschmack: geht das nicht wider allen guten Geschmack?
95. Es giebt gar keine M[enschen]: denn es gab keinen ersten M[enschen]—so schließen die Thiere.
96. Auch Gott hat seine Hölle, sagte der Teufel: das ist seine Liebe zu den Menschen.
97. Wer sein Ideal erreicht, kommt ebendamit über dasselbe—hinaus.
98. Mancher Pfau versteckt vor Aller Augen seinen Pfauenschweif und nennt das—seinen Stolz.
99. Mitunter siegt endlich die Wahrheit, es ist kein Zweifel: irgend ein Irrthum hat für sie gekämpft.
100. Der Erkennende fühlt sich als die Thierwerdung—Gottes.
101. Ich horchte auf Widerhall, und ich hörte nur—Lob.
Mancher wird erst nach seinem Tode groß—durch den Widerhall.
102. Arme Künstler! ihr wolltet sie erbauen, und dies Gesindel will gerade—umgeworfen werden!
103. Der Glaube macht selig, zumal der Glaube an uns.
104. “Unser Nächster ist nicht unser Nachbar, sondern dessen Nachbar” so denken alle Völker.
105. Große Verbindlichkeiten machen nicht dankbar, sondern rachsüchtig.
106. Wer zu weit geht, legt sich zuletzt aus Müdigkeit gar auf Schnee schlafen: gleich dem Skeptiker.
107. Gewissensbisse erziehen zum Beißen.
108. Im Lobe ist viel mehr Zudringlichkeit als im Tadel.
109. Den kalten Menschen glaubt man ihre Dummheiten nicht.
110. Der Erkennende lebt unter Menschen nicht wie unter Thieren, sondern—als unter Thieren.
111. Wir vergeben unseren Gegnern von Grund aus nur—ihre Fehlgriffe.
112. Aus den Augen aller Richtenden blickt der Henker.
113. Die Folgen unserer Handlungen fassen uns am Schopfe, sehr gleichgültig dagegen, daß wir uns inzwischen “gebessert” haben.
114. “Aber wie konntest du so handeln? Es war eine Dummheit!”— “Es ist mir auch schwer genug geworden.”
115. Wehe! Du hast sein Ideal geschaut! Nun wirst du an ihm selber fürderhin nur seine Carikatur sehen.
116. Der Mensch würde sich für einen Gott halten, wenn er keinen Unterleib hätte.
117. Mitleiden mit der Menschheit—das wäre Tyrannei gegen jeden Einzelnen.
118. Von sich absehen ist nöthig um gut—zu sehen.
119. “Die Menschen sind nicht gleich!”— So spricht die Gerechtigkeit.
120. Wer das Hohe eines Menschen nicht sieht, sieht dessen Niedriges aus allzugroßer Nähe.
121. Wenn das Talent eines Menschen sich verdunkelt, werden seine moralischen Eigenschaften sichtbarer: und nicht immer sind es Sterne, die dabei sichtbar werden.
122. In der Ermüdung werden wir auch von längst überwundenen Begriffen angefallen.
123. Daß es ein Vergessen giebt, ist noch nie bewiesen worden: sondern nur daß uns Mancherlei nicht einfällt, wenn wir wollen.
124. Der Glaube an Ursache und Wirkung hat seinen Sitz im stärksten der Instinkte, in dem der Rache.
125. Daß uns Jemand bequem fällt, rechnen wir seiner Moralität zu Gute.
126. In dem Bestreben, sich selber nicht zu erkennen, sind auch die gewöhnlichen Geister noch sehr fein.
127. Sehen und doch nicht glauben—ist die erste Tugend des Erkennenden; der Augenschein ist sein größter Versucher.
128. Was ist “Kirche”?— Eine von Grund aus verlogene Art des Staates.
129. Sein Gold ungemünzt bei sich tragen ist unbequem; so thut der Denker, der keine Formeln hat.
130. Wer es redlich mit den Menschen meint, ist geizig selbst noch mit seiner Höflichkeit.
131. “Der Held ist heiter”—das entgieng bisher den Tragödiendichtern.
132. Das utile ist nur ein Mittel; sein Zweck ist immer irgend ein dulce—seid doch ehrlich, meine Herren Dulciarier!
133. Unsre schlimmen Eigenschaften lassen es uns entgelten, wenn sie sich von der Tugend haben überwinden lassen.
134. “Jetzt bin ich gerecht”—“jetzt bin ich gerächt”: das klingt gleich und klingt oft nicht nur gleich. —
135. Man hat nie: denn man ist nie. Man gewinnt oder verliert beständig.
136. Besser noch bös gethan als klein gedacht!
137. Die Schweine der Circe beten die Keuschheit an.
138. Man kann im Meere vor Durst verschmachten, und ebenso inmitten allzu gesalzener Wahrheiten.
139. Zum Verdauen gehört, von Gesundheitswegen, eine Art Faulheit. Auch zum Verdauen eines Erlebnisses.
140. Stehlen ist oft seliger als nehmen.
141. In jeder Klage ist Rache.
142. Nicht daß du mich belogst, sondern daß ich dir nicht mehr glaube, hat mich erschüttert.
143. Über Gut und Böse glaubt sich Jedermann “Kenner,” und irrt sich.
144. Der Lobende stellt sich meistens als gäbe er zurück: in Wahrheit will er beschenkt werden.
145. Es entkindlicht die Weiber, daß sie sich mit Kindern immer als deren Erzieher abgeben.
146. Man liebt von Grund aus nur sein Kind oder sein Werk.
147. Wer uns nicht fruchtbar macht, wird uns sicher gleichgültig.
148. “Man handelt wohl für seinen Nächsten, aber man schafft nicht für ihn”: so denken alle Schaffenden.
149. Der Zorn enthüllt nicht den Menschen, sondern den Zorn.
150. Wer von seiner Zeit angefeindet wird, ist noch nicht weit genug über sie hinaus—oder hinter ihr zurück.
151. “Wo giebt es noch ein Meer, in dem man ertrinken könnte!”—dieser Schrei geht durch unsre Zeit.
152. Es giebt viele Grausame, die nur zu feige zur Grausamkeit sind.
153. Man muß auch seine Jugend überwinden, wenn man wieder Kind werden will.
154. “Nur die Heißen kennen die Entzückungen der Kälte”: so sprach ein Freigeist.
155. Nicht gegen das, was uns zuwider ist, sondern gegen das was uns gar nichts angeht, sind wir am unbilligsten.
156. An einer Theorie ist es wahrlich nicht ihr geringster Reiz, daß sie—widerlegbar ist.
157. “Gut und böse sind die Vorurtheile Gottes”—sagte die Schlange.
158. Man soll nur da Götter befragen, wo allein Götter antworten können.
159. Mancher findet sein Herz nicht eher, als bis er—seinen Kopf verliert.
160. Die Dinge: das sind nur die Grenzen des Menschen.
161. Manches wird uns durchsichtig: aber deshalb können wir noch lange nicht—hindurch.
162. Das Befehlen ist schwerer zu erlernen als das Gehorchen.
163. Nicht unsere Handlungen, sondern unsere und Andrer Meinungen über unsere Handlungen—machen aus uns gute oder böse Menschen.
164. Daß die Wahrheit einfach ist, behauptet der Irrthum. error veritate simplicior
165. Ubi pater sum, ibi patria.
166. Man darf eher noch eine Bitte als einen Dank abweisen.
167. Bei uns beschmutzt die Strafe noch mehr als das Verbrechen.
168. An sich ist die Wahrheit keine Macht: wenn sie sich nicht auf die Seite der Macht schlägt, geht sie gewiß zu Grunde.
169. Das zeigt den Meister, daß er sich weder vergreift, noch zögert.
170. Was hat den M[enschen] so verstört? Nicht die Dinge, nicht die Meinungen über die Dinge—sondern die Meinungen über Dinge, die es gar nicht giebt!
171. Das Unvergängliche ist nur ein Gleichniß.
172. Es giebt eine Härte, welche als Stärke verstanden werden möchte .
173. Wenn der Mensch eben sehr geehrt worden ist und gut gegessen hat, ist er am mildthätigsten.
174. Wir beobachten feiner, ob Andere unsere Schwächen wahrnehmen als wir selbst die Schwächen Anderer beobachten.
175. Erst der Träger macht die Tracht.
176. Den Stil verbessern—das heißt den Gedanken verbessern—und gar nichts weiter!
177. Die schwächste Seite an einem klassischen Buche ist, daß es zu sehr in der Muttersprache seines Urhebers geschrieben ist.
178. Wir legen erst dann besonderen Werth auf den Besitz einer Tugend, wenn wir deren Abwesenheit bei unserem Gegner bemerkt haben.
179. Alles kleine Glück soll man benutzen wie ein Kranker das Bett: zur Genesung—und sonst gar nicht.
180. Das Vergnügen an kleinen boshaften Gedanken erspart den Menschen viele große böse Handlungen.
181. Lange und große Schmerzen machen tyrannisch.
182. Wenn man seinen Teufel nicht groß zieht, macht einen die kleine Teufelei—klein.
183. Seinem Freunde soll man eine Ruhestätte sein, aber ein hartes Bett, ein Feldbett.
184. Mißlingt etwas, so soll man seinem Mithelfer die Hülfe doppelt bezahlen.
185. Sei spröde im Annehmen! Zeichne aus damit, daß du annimmst!
186. Wer immer giebt, wird dabei leicht schamlos.
187. Wann sah je ein großer Mensch so dick und brav wie ein guter Mensch aus!
188. “Ich vergebe es dir, was du mir thatest: aber daß du es dir thatest, wie könnte ich das vergeben!”—so sprach ein Liebender.
189. Du sagst “das gefällt mir” und meinst mich damit zu loben. Aber du gefällst mir nicht—!
190. Liebe zu sich selber ist ein Merkmal der Schwangerschaft.
191. Für den sehr Einsamen ist schon Lärm ein Trost.
192. Um den Halbgott herum wird auch noch der Held ein Ding zum Lachen.
193. “Wie viel Jahrzehnte dauert es, bis er zum Leuchten kommt?” Mit dieser Frage mißt man die Ferne und Höhe eines Menschen.
194. Die ungeheure Erwartung in Betreff der Liebe verdirbt den Frauen den Blick für alle anderen—Fernen.
195. “Man ist nur für das eigne Kind Schwanger”: so spricht die Selbstsucht aller Schaffenden.
196. Er hat noch die volle Unschuld der Bewunderung: d. h. er dachte noch nicht daran, daß er selber einmal bewundert werden könnte.
197. Manches Dasein hat keinen Sinn, es sei denn den, ein anderes Dasein vergessen zu machen. Und ebenso giebt es opiatische Handlungen.
198. Ein Einsamer sprach: “ich ging wohl zu den Menschen, aber ich langte niemals an!”
199. Wer das Dasein rechtfertigen will, muß auch Gottes Anwalt vor dem Teufel sein können.
200. Wer weder der Liebe, noch der Freundschaft fähig ist, der findet am sichersten seine Rechnung—bei der Ehe.