Herbst 1884 28 [1-67]
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Sonnen-Bosheit.
Bei abgehellter Luft,
Wenn schon des Thaus Tröstung
Zur Erde nieder quillt,
Unsichtbar, auch ungehört — denn zartes Schuh werk trägt
Der Tröster Thau, gleich allen Milden —
Gedenkst du da, gedenkst du, heißes herz,
Wie einst du durstetest,
Nach himmlischem Thaugeträufel
Versengt und müde durstetest,
Dieweil auf sanften Gras-Pfaden
Schweigsam abendliche Sonnenblicke
Durch dunkle Bäume um dich liefen,
Boshafte Sonnen-Gluthblicke,
So aber fragte dich die Sonne schweigend:
Was trägst du Narr
Eine zerrissene Larve?
Eine Götter-Larve? Wem rissest du sie vom Gesichte?
Schämst du dich nicht, unter Menschen nach Göttern
lüstern hinauszuschnüffeln?
Wie oft schon!
Der Wahrheit Freier? also stöhnte ich —
Nein! Nur ein Dichter!
Nach Larven lüstern, selbst verkleidet.
Zerrissene Larve selber! Götter-Larventrug!
Bei abgehellter Luft,
wenn schon des Monds Sichel
grün zwischen Purpurröthen
und neidisch hinschleicht
— mit jedem Schritte heimlich
an Rosen-Hängematten
hinsichelnd bis sie sinken
nacht-abwärts blaß versinken
dieweil er röther
stets und röther,
schlechter That sich schämend, — — —
Die Wüste wächst: weh, zur Wüste ward!
Wüste ist Hunger, der nach Leichen scharrt.
Ob Quell und Palme sich hier Nester baun —
Der Wüste Drachenzähne kahn und kahn
Denn Sand ist Zahn an Zahn, vielfräßige Pein
reibt ewig hier
Kinnladen nimmer müd — — —
Vielfräßiger Hunger malmt hier Zahn an Zahn
Der Wüste Drachenzähne — — —
Sand ist Gebiß, ist Drachen-Zähnesaat
Das malmt und malmt—das malmt sich nimmer matt — — —
Sand ist die Mutter die ihr Kind gekaut
Mit fliegendem Dolche in deren Haut — — —