Frühjahr-Sommer 1874 34 [1-48]
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Die überlegene Güte und Menschlichkeit unserer Seelen und die Überlegenheit des modernen Intellectes.
Nicht dass man daran glaubt: aber man soll daran zu glauben scheinen.
Auf einen Fehlschluss geht die Absicht jener After-Cultur hinaus: die “schöne Form” soll für den “guten Inhalt” gutsagen; es soll durchaus so scheinen, dass der moderne Mensch mit sich zufrieden und glücklich lebe, also dass er, da die älteren Zeiten sehr unzufrieden mit sich waren, über diese nicht nur durch Kraft des Intellects, sondern auch durch natürliche Güte und Menschlichkeit weit hinaus gekommen sei.
Vielmehr lässt man der eignen begehrlichsten Selbstsucht freien Lauf, hin zur frevelhaften Ausschweifung, wie sie kaum irgend eine Zeit gekannt hat—aber immer gepanzert mit der ganzen modernen Wissenschaft, und lernt alles was geschieht philosophisch sittlich zu erläutern und zu verklären.
Überhaupt ist “verklären” jetzt das beliebteste Verfahren bei Dingen, die nicht reinlich sind: Staat Krieg Geldmarkt Ungleichheit der Menschen.