Frühjahr-Sommer 1874 34 [1-48]
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Schopenhauer hat uns an etwas erinnert, was wir fast vergessen hatten und jedenfalls vergessen wollten: dass das Leben des Einzelnen nicht darin seine Bedeutung haben könne, historisch zu sein, in irgend einer Gattung zu verschwinden und in den grossen und wechselnden Configurationen von Nation Staat Gesellschaft, in den kleinen von Gemeinde und Familie. Wer nur historisch ist, hat das Leben als Lection nicht verstanden und wird sie wieder lernen müssen. Gar zu gern möchte der Mensch es sich erleichtern und glauben, damit dem Dasein genug gethan zu haben, dass er um die grossen Fahrzeuge sich bemüht und immer auf der Oberfläche bleibt. Er will nicht in die Tiefe. Aber alle diese Allgemeinheiten entfremden dich dir selbst, auch unter dem Namen der Kirchen Wissenschaften. In dir wird das Räthsel des Daseins aufgegeben: niemand kann es dir lösen, du selbst allein. Der Mensch entflieht dieser Aufgabe, dadurch dass er sich an die Dinge hingiebt.— Dreht er nun die Betrachtung um, sieht er sich in seinem Elend, so erkennt er auch das Lügnerische aller dieser Allgemeinheiten. Er hofft von ihnen nichts mehr: sondern alles, was er hofft, ist, dass alle Menschen die Lection des Lebens richtig verstehen. Er wird sich betheiligen müssen an Staat usw., aber ohne leidenschaftliche Ungeduld: von aussen kann ihm ja nichts kommen. Es wird ihm immer mehr zum Spiel. Er ahnt als die seligste Periode, wenn die Völker nur noch zum Spiel Völker und Staaten sind, pur zum Spiel Kaufleute und wissenschaftliche Menschen—mit Überlegenheit über dies alles. Es giebt die Musik, welche dies erklärt: wie alles nur Spiel, im Grunde nur Seligkeit sein kann. Deshalb ist sie die verklärende Kunst, metaphysisch durch und durch.