Sommer-Herbst 1884 26 [401-469]
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Der Gesetzgeber der Zukunft.
Menschen, vor denen das Bild einer ungeheuren Aufgabe aufzudämmern beginnt, suchen ihr zu entrinnen: und man wird die kühnsten und verwegensten Versuche bei großen Menschen finden, irgendwohin zu entschlüpfen, z.B. sich einzureden a) die Aufgabe ist schon gelöst b) oder sie ist unlösbar c) oder ich bin zu schwach für sie d) meine Pflicht, meine Moralität weist sie ab als unmoralisch— e) oder sich fragen: wer muthet mir diese Aufgabe zu? Niemand. Skepsis gegen alle schweren Missionen.— Vielen gelingt es auszuweichen, es giebt ein feines schlechtes Gewissen für solche. Zuletzt ist es eine Frage der Kraft: wie groß fühlt man seine Verantwortlichkeit?
Nachdem ich lange mit dem Worte “Philosoph” einen bestimmten Begriff zu verbinden suchte, fand ich endlich, daß es zwei Arten giebt 1) solche welche irgend einen großen Thatbestand festzustellen suchen 2) solche, welche Gesetzgeber der Werthschätzungen sind. Die Ersten suchen sich der vorhandenen oder vergangenen Welt zu bemächtigen, indem sie das Geschehen in Zeichen zusammenfassen: ihnen liegt daran, alles übersichtlich, überdenkbar, faßbar, handlich zu machen—sie dienen der Aufgabe des Menschen, alle Dinge zu seinem Nutzen zu verwenden. Die Zweiten aber befehlen und sagen: so soll es sein! sie bestimmen erst den Nutzen, was Nutzen des Menschen ist; sie verfügen über die Vorarbeit der wissenschaftlichen Menschen, aber das Wissen ist ihnen nur ein Mittel zum Schaffen. In der That ist ihre Lage ungeheuer, und sie haben sich oft die Augen zugebunden z. B. Plato, als er einst vermeinte, das Gute nicht festzusetzen, sondern es als etwas Ewiges vorzufinden. Und in gröberen Formen, nämlich bei den Religionsstiftern, ist ihr “Du sollst” ihnen als Befehl ihres Gottes zugekommen: wie im Falle Muhameds, ihre Gesetzgebung der Werthe galt ihnen als eine “Eingebung,” und daß sie sie ausführten, als ein Akt des Gehorsams. —
Sobald nun jene Vorstellungen dahingefallen sind 1) die von Gott 2) die von ewigen Werthen: entsteht die Aufgabe des Gesetzgebers der Werthe in furchtbarer Größe. Die Mittel der Erleichterung, welche man früher hatte, sind dahin. Das Gefühl ist so schrecklich, daß ein solcher Mensch Zuflucht sucht
1) beim absoluten Fatalismus: die Dinge gehn ihren Gang und der Einfluß des Einzelnen ist gleichgültig
2) beim intellektuellen Pessimismus: die Werthe sind Täuschungen, es giebt an sich gar kein “Gut und Böse” usw. Aber der intellektuelle Pessimismus wirft auch den Fatalismus um, er zeigt, daß das Gefühl “Nothwendigkeit” und “Causalität“ erst von uns hineingelegt worden ist,
3) bei der absichtlichen Selbst-Verkleinerung.
2.
Der Entschluß
3.
Das neue Problem: das Mittel der Mittheilung, und die ganze Frage der Wahrhaftigkeit
4.
Das Problem der Züchtung, weil ein Einzelner zu kurz lebt.