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Winter 1869-70 - Frühjahr 1870 2 [1-31]
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Derselbe Trieb, der im Anhören des Epos seine Befriedigung fand, fand sie später im Drama. Dadurch erweist sich das Drama als vollkommene Form des Epos. Verwirklichung der bis dahin nur eingebildeten Gemälde:
| 1. | Die Oper, im künstlichen Anlehnen an die Vergangenheit erzeugt, hindert die naturgemäße Erzeugung des Musikdrama’s: weil sie die Kräfte dafür an sich saugt. | |
| 2. | Das Dramatische entsteht aus einem starken Triebe, einem Glauben an das Unmögliche, das Wunder: höhere Gefühlsstufe als im Epos, dessen ganze Erbschaft es übernimmt. Damit war das Epos todt, weil ausgelebt. | |
| 3. | Weil nicht die Phantasie zu vorwiegend beschäftigt wird beim Anhören des Dramas (wie bei dem Epos), so ist die Versetzung unsres Selbst in das Fremde möglicher: Selbstvergessen ist Voraussetzung für beide Künste, hier durch stärkste Phantasiethätigkeit, dort durch stärkste Gemüthsthätigkeit. Der Wille durch das Drama, die Anschauung durch das Epos produktiv gestimmt. Man vergleiche die Erzählung und die persönliche Anschauung eines Selbstmordes. |