Frühjahr-Sommer 1875 5 [101-200]
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Ach es ist eine Jammergeschichte, die Geschichte der Philologie! Die ekelhafteste Gelehrsamkeit, faules unthätiges Beiseitesitzen, ängstliches Unterwerfen.— Wer hat denn etwas Freies gehabt?
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[vgl. Menschliches, Allzumenschliches, 114]
Der religiöse Cultus ist auf das Erkaufen oder das Erbetteln der Gunst der Gottheiten zurückzuführen. Es kommt darauf an, wo man ihre Ungunst fürchtet.— Also dort, wo man nicht einen Erfolg durch eigne Kraft erringen kann oder will, sucht man übernatürliche Kräfte: also zur Erleichterung der Lebensmühe. Wo man etwas nicht durch die That wieder gut machen will oder kann, bittet man die Götter um Gnade und Verzeihung, also zur Erleichterung des bedrängten Gewissens. Die Götter sind zur Bequemlichkeit der Menschen erfunden: zuletzt noch ihr Cultus die Summe aller Erholungen und Ergötzlichkeiten.
Man nehme sie hinweg: alle Lasten sind dann schwerer, und es giebt viel weniger Leichtigkeit.— Wo die Olympier zurücktraten, da war das griechische Leben düsterer.— Wo wir forschen und arbeiten, da feiern die Griechen Feste. Sie sind die Festefeiernden.
Sie sehen über sich die Götter nicht als Herren, sich nicht als Knechte, wie die Juden. Es ist die Conception von einer glücklicheren und mächtigeren Kaste, ein Spiegelbild der gelungensten Exemplare der eignen Kaste, also ein Ideal, kein Gegensatz des eignen Wesens. Man fühlt sich durchaus verwandt. Es besteht gegenseitiges Interesse, eine Art Symmachie. Man denkt vornehm von sich, wenn man sich solche Götter dichtet. Und so hat auch das Erbetteln und Erkaufen ihrer Gunst etwas Vornehmes. Es ist ein Verhältniss, wie von niederem zu höherem Adel; während die Römer eine rechte Bauernreligion haben, Ängstlichkeit gegen Kobolde und Spukereien.