Sommer-Herbst 1884 26 [1-100]
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NB. Die erste Grenze alles “Sinnes für Wahrheit” ist—auch für alle niederen belebten Geschöpfe—was nicht ihrer Erhaltung dient, geht sie nichts an. Die zweite: die Art und Weise ein Ding zu betrachten, welche ihnen am nützlichsten ist, wird vorgezogen und allmählich erst, durch Vererbung, einverleibt. Dies ist auch durch den Menschen noch keineswegs anders geworden: höchstens könnte man fragen, ob es nicht entartende Rassen gäbe, welche sich so zu den Dingen stellen, wie es der inneren Absichtlichkeit auf Untergang hin gemäß ist—also wider das Leben. Aber das Absterben des Veralteten oder Mißrathenen gehört selber in die Consequenz der Erhaltung des Lebens: weshalb Greise greisenhaft und ächte Christen weltfeindlich urtheilen mögen.
An sich wäre es möglich, daß zur Erhaltung des Lebenden gerade Grund-Irrthümer nöthig wären, und nicht “Grund-Wahrheiten.” Es könnte z. B. ein Dasein gedacht werden, in welchem Erkennen selber unmöglich wäre, weil ein Widerspruch zwischen absolut Flüssigem und der Erkenntniß besteht: in einer solchen Welt müßte ein lebendes Geschöpf erst an Dinge, an Dauer usw. glauben, um existiren zu können: der Irrthum wäre seine Existenz-Bedingung. Vielleicht ist es so.