Ende 1876 - Sommer 1877 23 [101-197]
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Die Dichter, gemäß ihrer Natur, welche eben die von Künstlern d. h. seltsamen Ausnahmemenschen ist, verherrlichen nicht immer das, was von allen Menschen verherrlicht zu werden verdient, sondern ziehen das vor, was gerade ihnen als Künstlern gut erscheint. Ebenso greifen sie selten mit Glück an, wenn sie Satiriker sind. Cervantes hätte die Inquisition bekämpfen können, aber er zog es vor, ihre Opfer d. h. die Ketzer und Idealisten aller Art auch noch lächerlich zu machen. Nach einem Leben voller Unfälle und Mißwenden hatte er doch noch Lust zu einem litterarischen Hauptangriff auf eine falsche Geschmacksrichtung der spanischen Leser; er kämpfte gegen die Ritterromane. Unvermerkt wurde dieser Angriff unter seinen Händen zur allgemeinsten Ironisirung aller höheren Bestrebungen: er machte ganz Spanien, alle Tröpfe eingeschossen, lachen und sich selber weise dünken: es ist eine Thatsache daß über kein Buch so gelacht wurde wie über den Don Quixote. [Vgl. Miguel de Cervantes, Don Quixote von la Mancha. Aus dem Spanisch übersetzt von L. Tieck. Berlin, A. Hofmann, 1852.] Mit einem solchen Erfolge gehört er in die Decadence der spanischen Cultur, er ist ein nationales Unglück. Ich meine daß er die Menschen verachtete und sich nicht ausnahm; oder macht er sich nicht nur lustig wenn er erzählt wie man am Hofe des Herzogs mit dem Kranken Possen trieb? Sollte er wirklich nicht über den Ketzer auf dem Scheiterhaufen noch gelacht haben? Ja, er erspart seinem Helden nicht einmal jenes fürchterliche Hellwerden über seinen Zustand, am Schlusse des Lebens: wenn es nicht Grausamkeit ist, so ist es Kälte, Hartherzigkeit, welche ihn eine solche letzte Scene schaffen hieß, Verachtung gegen die Leser, welche wie er wußte auch durch diesen Schluß nicht in ihrem Gelächter gestört wurden.