Herbst 1880 6 [1-100]
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Unbeschreiblicher Ekel, wenn unsere Gebildeten von der Nothwendigkeit einer idealen Bildung und einer Erneuerung der Religion phantasiren! dieses verlogene Gesindel, das bei Musik und Schauspiel wieder religiös werden will und sich in den Kopf setzt, sobald es nur wieder im Herzen zu zittern beginnt, alle Redlichkeit des Kopfes fahren zu lassen und sich kopfüber in den mystischen Schlamm zu stürzen! Recht der Gedanke einer durch Politik und Geldgier verdummten und servil gewordenen Generation!
Denn ob man einem Napoleon oder dem Nationalitätsprincip dient, beides führt zur Sklaverei und zum schließlichen Ekel an sich: wohl dann der Religion! wohl den Künstlern, welche den Anstand einer freien geistigen Haltung nicht angeboren haben! Früher dachte ich: wir sind anderer Art, anderer Herkunft, nichts war mir fremder als mich diesen Strömungen der Nationalität und der Neigung zur Mystik anzubieten! Ich sah sie—mir ekelte damals und jetzt dafür. Allein sein! abseits leben! war immer meine Devise. Was geht es mich an, daß die, welche damals darin mir gleich gesinnt erschienen, jetzt alle sich dort anbieten! Hier die Gespensterfinger des Spiritisten, und der mathematisch-magische Taschenspieler, dort ein gehirnausbrennender Cultus der Musik, dort die wiedererweckten Gemeinheiten einer Judenverfolgung—seht die allgemeine Übung im Hassen