Herbst 1869 1 [1-114]
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Die Forderung der Einheit im Drama ist die des ungeduldigen Willens, der nicht ruhig anschauen, sondern auf der eingeschlagenen Bahn zu Ende ungehemmt stürmen will. Die schöne Komposition des Drama’s: man ist versucht und verführt, die Reihe der Scenen sich als Gemälde neben einander zu stellen und dies Gesammtbild seiner Komposition nach zu untersuchen. Dies ist eine wirkliche Verwirrung von Kunstprincipien: insofern man die Gesetze für das Nebeneinander auf das Nacheinander anwendet.
Das reine Nacheinander wolle man nicht überschauen : z. B. ein Musikstück: es ist ein Fehler, hier von einer Architektonik des Ganzen zu reden; ebenso beim Drama. Wo liegen die Gesetze des Nacheinanders? Z. B. in den Farben, die sich gegenseitig herausfordern, in den Dissonanzen, die eine Auflösung verlangen, in der Folge von Gemüthsströmungen.
Scheinbare Einheiten z. B. viele Sinfonien. Es sind vier Theile, deren Grundcharakter eine schablonenmäßige Einheit bildet. Man verlangt nach einem feurigen Allegro nach einem erhabenen oder zärtlichen Adagio; jetzt vielleicht nach einer Humoreske; endlich nach einem Bachanal. Ähnlich schon sind die Kontraste im Nomos Pythios des Sakadas.
Das Nacheinander drückt den Willen aus, das Nebeneinander das Beruhen im Anschauen.
Woher stammt nun die thatsächliche Bemühung der griechischen Dramatiker nach Einheit? Besonders da eine Philosophie noch keine Forderungen stellte?
Wunderbare Zeit, in der die Künste sich noch entwickelten, ohne daß der Künstler fertige Kunsttheorien vorfand!
So ein antikes Drama ist ein großes Musikwerk: man genoß aber die Musik nie absolut, sondern immer hineingestellt in die Verbindung mit Kult und Umgebung, oder Gesellschaft. Es war kurz Gelegenheitsmusik. Höchst wichtige Einsicht! Der verbindende Dialog ist nur der Gelegenheitsmacher; nämlich für die Musikstücke, deren jedes seinen scharfen Gelegenheitscharakter festhielt: Einheit der Empfindung, gleiche Höhe der Erregung.