März 1875 3 [1-76]
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Es ist schwer, die Bevorzugung zu rechtfertigen, in der das Alterthum steht: denn sie ist aus Vorurtheilen entstanden:
| 1) | aus Unwissenheit des sonstigen Alterthums, | |
| 2) | aus einer falschen Idealisirung zur Humanitäts-Menschheit überhaupt; während Inder und Chinesen jedenfalls humaner sind, | |
| 3) | aus dem Schulmeister-Dünkel, | |
| 4) | aus der traditionellen Bewunderung, die vom Römerthum ausgegangen ist, | |
| 5) | aus Widerspruch gegen die christliche Kirche, oder zur Stütze, | |
| 6) | Eindruck, den die Jahrhunderte lange Arbeit der Philologen gemacht hat, und die Art ihrer Arbeit: es muss sich doch um Goldbergwerke handeln, meint der Zuschauer. | |
| 7) | Fertigkeiten und Wissen, von dort her gelernt. Vorschule der Wissenschaft. |
In Summa: theils aus Ignoranz, falschen Urtheilen und trügerischen Schlüssen, auch durch das Interesse eines Standes, der Philologen.
Bevorzugung des Alterthums sodann durch die Künstler, die das erkannte Maass und die Sophrosyne unwillkürlich zu einer Eigenschaft des gesammten Alterthums machen. Die reine Form. Ebenso durch die Schriftsteller.
Bevorzugung des Alterthums als einer Abbreviatur der Geschichte der Menschheit, als ob hier ein autochthones Gebilde sei, an dem alles Werdende zu studiren sei.
Thatsächlich ist nun allmählich Grund für Grund zu dieser Bevorzugung beseitigt, und wenn es die Philologen nicht merken sollten, so merkt man es sonst ausser ihren Kreisen so stark wie möglich. Die Historie hat gewirkt; sodann hat die Sprachwissenschaft die grösste Diversion, ja Fahnenflucht unter den Philologen selbst hervorgebracht. Nur die Schule haben sie noch: doch auf wie lange! In der bisherigen Form ist die Philologie am Aussterben: ihr Boden ist ihr entzogen. Ob überhaupt ein Stand von Philologen sich erhalten wird, ist sehr zweifelhaft: jedenfalls wäre es eine aussterbende Race.