März 1875 3 [1-76]
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Ein sehr genaues Zurückdenken führt zu der Einsicht, dass wir eine Multiplication vieler Vergangenheiten sind: wie könnten wir nun auch letzter Zweck sein?— Aber warum nicht? Meistens aber wollen wir’s gar nicht sein, stellen uns gleich wieder in die Reihe, arbeiten an einem Eckchen und hoffen, es werde für die Kommenden nicht ganz verloren sein. Aber das ist wirklich das Fass der Danaiden: es hilft nichts, wir müssen alles wieder für uns und nur für uns thun und z. B. die Wissenschaft an uns messen, mit der Frage: was ist uns die Wissenschaft? Nicht aber: was sind wir der Wissenschaft? Man macht sich wirklich das Leben zu leicht, wenn man sich so einfach historisch nimmt und in den Dienst stellt. “Das Heil deiner selbst geht über alles” soll man sich sagen: und es giebt keine Institution, welche du höher zu achten hättest als deine eigne Seele.— Nun aber lernt sich der Mensch kennen: findet sich erbärmlich, verachtet sich, freut sich, ausser sich etwas Achtenswürdiges zu finden. Und so wirft er sich fort, indem er sich irgendwo einordnet, streng seine Pflicht thut und seine Existenz abbüsst. Er weiss, dass er nicht seiner selbst wegen arbeitet; er wird denen helfen wollen, welche es wagen, ihrer selbst wegen da zu sein; wie Socrates. Wie ein Haufen Gummiblasen hängen die meisten Menschen in der Luft, jeder Windhauch rührt sie.— Consequenz: der Gelehrte muss es aus Selbsterkentniss, also aus Selbstverachtung sein: d. h. er muss sich als Diener eines Höheren wissen, der nach ihm kommt. Sonst ist er ein Schaf.