März 1875 3 [1-76]
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Die Philologie als Wissenschaft um das Alterthum hat natürlich keine ewige Dauer, ihr Stoff ist zu erschöpfen. Nicht zu erschöpfen ist die immer neue Accommodation jeder Zeit an das Alterthum, das sich daran Messen. Stellt man dem Philologen die Aufgabe, seine Zeit vermittelst des Alterthums besser zu verstehen, so ist seine Aufgabe eine ewige.— Dies ist die Antinomie der Philologie: man hat das Alterthum thatsächlich immer nur aus der Gegenwart verstanden—und soll nun die Gegenwart aus dem Alterthum verstehen? Richtiger: aus dem Erlebten hat man sich das Alterthum erklärt, und aus dem so gewonnenen Alterthum hat man sich das Erlebte taxirt, abgeschätzt. So ist freilich das Erlebniss die unbedingte Voraussetzung für einen Philologen—das heisst doch: erst Mensch sein, dann wird man erst als Philolog fruchtbar sein. Daraus folgt, dass ältere Männer sich zu Philologen eignen, wenn sie in der erlebnissreichsten Zeit ihres Lebens nicht Philologen waren.
Oberhaupt aber: nur durch Erkentniss des Gegenwärtigen kann man den Trieb zum klassischen Alterthum bekommen. Ohne diese Erkentniss—wo sollte da der Trieb herkommen? Wenn man zusieht, wie wenige Philologen es ausser denen, die davon leben, giebt, kann man schliessen, wie es im Grunde mit diesem Triebe zum Alterthum steht, er existirt fast nicht; denn es giebt keine uneigennützigen Philologen.
So ist die Aufgabe zu stellen: der Philologie ihre allgemein erziehende Wirkung zu erobern. Mittel: Beschränkung des Philologenstandes, zweifelhaft ob die Jugend damit bekannt zu machen. Kritik des Philologen. Die Würde des Alterthums: sie sinkt mit euch: wie tief müsst ihr gesunken sein, da es diese Würde jetzt so wenig hat!