Herbst 1880 6 [301-461]
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Der gute Gedanke ist nur eine Ausnahme, die meisten originellen Gedanken sind Narrheiten. Die gewohnten Gedanken sind deshalb so hoch geachtet, ja zur Pflicht gemacht, weil sie eine Art Bewährung haben, mit ihnen ist der Mensch nicht zu Grunde gegangen. Dies “nicht zu Grunde gehen” gilt als der Beweis für die Wahrheit eines Gedankens. Wahr heißt “für die Existenz des Menschen zweckmäßig.” Da wir aber die Existenzbedingungen des Menschen sehr ungenau kennen, so ist, streng genommen, auch die Entscheidung über wahr und unwahr nur auf den Erfolg zu gründen. Woran ich zu Grunde gehe, das ist für mich nicht wahr d. h. es ist eine falsche Relation meines Wesens zu anderen Dingen. Denn es giebt nur individuelle Wahrheiten—eine absolute Relation ist Unsinn. Die Art zu denken, die Anspannung und Häufigkeit, die Gegenstände, das Nichtsehenkönnen, Nichtfühlen vieler Dinge alles ist eigentlich eine Bedingung unserer Existenz. Jeder Fehler ist ihr schädlich. Meistens also machen wir Fehler, meistens sind wir fortwährend irgendwie krank durch unser Denker, wir können ja nur experimentiren, und das ganz individuell uns Nothwendige im Erkennen ist die Ausnahme.