Frühjahr 1880 bis Frühjahr 1881 10 [1-101]
10 [D79]
Das Vervollständigen (z. B. wenn wir die Bewegung eines Vogels als Bewegung zu sehen meinen) das sofortige Ausdichten geht schon in den Sinneswahrnehmungen los. Wir formuliren immer ganze Menschen aus dem, was wir von ihnen sehen und wissen. Wir ertragen die Leere nicht—dies ist die Unverschämtheit unserer Phantasie: wie wenig an Wahrheit ist sie gebunden und gewöhnt! Wir begnügen uns keinen Augenblick mit dem Erkannten (oder Erkennbaren!) Das spielende Verarbeiten des Materials ist unsere fortwährende Grund-Tätigkeit, Übung also der Phantasie. Man denke als Beweis, wie mächtig diese Thätigkeit ist, an das Spielen des Sehnervs bei geschlossenem Auge. Ebenso lesen wir, hören wir. Das genaue hören und sehen ist eine sehr hohe Stufe der Cultur—wir sind noch sehr fern davon. Die Lügnerei wird doch gar nicht darin gefühlt! Dieses spontane Spiel von phantasirender Kraft ist unser geistiges Grundleben: die Gedanken erscheinen uns, das Bewußtwerden, die Spiegelung des Prozesses im Prozeß ist nur eine verhältnißmäßige Ausnahme—vielleicht ein Brechen am Contraste.