Sommer 1883 8 [1-27]
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Weiber-Verwandtschaft: Kinder gehören nicht in die Familie des Vaters, sondern des Bruders ihrer Mutter. Der Vater gehört zu einer anderen Familie: Vater und Sohn in feindseligem Verhältniß. Der Vater heirathet in eine fremde Familie hinein und in ihr ist er lediglich Erzeuger, und kaum mehr als ein Sklave.— Die Vaterschaft nichts Selbstverständliches, sondern ein spät erreichtes Rechtsinstitut. Das sittliche Band zwischen Vater und Kind fehlt! Der Vater gilt nicht als blutverwandt mit seinen Kindern. Die Nabelschnur ist das Band der Familie.
[Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Oldenburg: Schulz, 1880: Bd. 1:
S. 81-82:
Die auf die Weiberverwandtschaft gestützte Familienverbindung macht auf uns einen höchst fremdartigen Eindruck. Sie steht zwar, wie unsere heutige Familie, meistens ebenfalls unter einem männlichen Oberhaupte. Dieser Geschlechtshäuptling ist aber nicht der Vater, sondern derselbe bestimmt sich nach dem System der Weiberverwandtschaft. Kinder gehören nicht in die Familie ihres Vaters, sondern in diejenige des Bruders ihrer Mutter. Zu diesem stehen sie unter der Herrschaft dieses Verwandtschaftssystems in einem ähnlichen Verhältnisse, wie heutzutage zum Vater; ihm wendet sich ihre kindliche Neigung zu, ihn betrauern sie, während sie ihren Vater oft nicht einmal kennen. Der Vater steht ausserhalb der Familie oder richtiger, er gehört einer andern Familie an, und eben daher erklärt sich die bei vielen Naturvölkern auftretende Erscheinung, dass Vater und Sohn in einem feindseligen Verhältnisse stehen, wenn überall zwischen ihnen irgend welche Beziehungen vorhanden sind. Der Vater heirathet unter der Herrschaft der Weiberverwandtschaft in eine fremde Familie, in welcher er lediglich Erzeuger, Gatte ist, und in welcher er oft kaum mehr als die Stelle eines Sclaven einnimmt, wie z. B. in der malayischen Ambel-anak-ehe. Auf den Zusammenhang dieser höchst merkwürdigen ehelichen Verhältnisse mit der ursprünglichen Weiberverwandtschaft werden wir demnächst noch zurück kommen. Hier möge nur noch darauf hingewiesen werden, dass die Vaterschaft, welche wir heutzutage als das natürlichste und selbstverständlichste Verhältniss zu betrachten gewohnt sind, sich vom vergleichend-ethnologischen Standtpunkte aus zunächst als ein durch äussere Verhältnisse hervorgerufenes Rechtsinstitut darstellt, und dass das ethische Band, welches heutzutage Vater und Kind verknüpft, ursprünglich zu fehlen scheint, und ein anderes zwischen Kind und Mutterbruder vorhanden ist, welches heutzutage fehlt. Man hat hier ein Beispiel von dem. Wechsel der ethischen Anschauungen, wie er durch den Wechsel der ethnisch-morphologischen Organisation bedingt ist.
S. 77:
Es ist eine für uns zunächst überraschende Erscheinung, dass zahlreiche Völkerschaften lediglich eine Verwandtschaft durch die Weiberseite kennen, so dass das Kind lediglich mit seiner Mutter, seinen Geschwistern von derselben Mutter, den Geschwistern seiner Mutter von derselben Mutter und deren Kindern u. s. w. verwandt ist, während der Vater mit seiner Nachkommenschaft überall nicht als blutsverwandt angesehen wird. Als das Band, welches die Familie zusammenhält, wird die Nabelschnur gedacht, welche daher auch in den Bräuchen vieler Völkerschaften als ein wichtiges Mysterium gilt.]
In den Verbänden von Blutsverwandten giebt es weder ein individuelles Verbrechen, noch individuelles Eigenthum, noch Ehe. Nur das Geschlecht hat Rechte und Pflichten. Weiber sind wie Kinder Gemeingut. Ja es giebt Zustände, wo es keine Verwandtschaft von Person zu Person giebt, sondern Gruppen verwandt sind.— Gruppen-Ehen. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:85, 94-98.]
Rechtsubjekte sind jetzt die sogenannten “natürlichen Personen,” die Einzelnen: sie sind die Träger von Rechten und Pflichten. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:73.]
Ein alter Chinese sagte, er habe gehört, wenn Reiche zu Grunde gehen sollen, so hätten sie viele Gesetze. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:58.]
Die Ehe mit schlechtem Gewissen: das Weib muß, bevor es heirathet, eine Zeit des Hetärism durchmachen, es muß entjungfert sein. Es muß sich den Stammesgenossen preisgeben, bevor es Einem Manne gehört. Letzter Rest das jus primae noctis der Häuptlinge oder auch Priester (wie bei den Buddhisten in Cambodja) [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:92f.]
Die Hetäre steht in manchen Theilen Afrika’s, in Indien und in Java in hohem Ansehen, sie ist den Volksgöttern treu geblieben. — [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:94.]
Hier erhält der Mann mit der Frau zugleich sämmtliche Schwestern, dort haben sämmtliche Brüder Eine Frau. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:98.]
Bei den Thieren sind die Weibchen nicht geschmückt, die Schönheit gehört den Männchen zu—die Begehrenden und Kämpfenden werden schön. [Vgl. Alfred Victor Espinas, Die thierischen Gesellschaften: eine vergleichend-psychologische Untersuchung [De sociétés animales]. Nach der vielfach erw. 2. Aufl. unter Mitw. des Verf. deutsch hrsg. von W. Schloesser. Braunschweig: Vieweg, 1879:260-313.]
das Weib macht bei uns “Eroberungen”
Die höhere Schönheit der Weiber unter Menschen beweist, daß die Weiber hier die kämpfenden und begehrenden sind; sie verstehen sich leicht darauf, den Mann zu erobern. Bei den Thieren nimmt die männliche Intelligenz zu durch den Geschlechtstrieb.—
In Athen waren die Männer schöner als die Frauen—nach Cicero: dies ist aber wohl eine Folge der großen Arbeit an der Schönheit, unter Einwirkung der Päderastie.
Mit der Entstehung der individuellen Ehe entsteht die neue Pflicht, nach der Brüder und Schwestern, Schwiegervater und Schwiegertochter, Schwiegermutter und Schwiegersohn, Schwager und Schwägerin nicht mit einander sprechen, essen, ja sich nicht ansehen dürfen.— Früher hat man oft Mutter und Tochter zusammen geheirathet.— [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:103-104.] Feindseligkeit und Kälte gehört zu den Pflichten überall, wo individuelle Pflichten entstehen. Mit der Liebe tritt immer die Abneigung zugleich auf. Menschenliebe im Allgemeinen ist bisher nicht ohne einen ungeheuren Haß dagewesen.
Eheliche Treue erscheint lange als unmoralisch. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:108f.]
Das Weib ein Eigenthum, welches der Stärkere jederzeit dem Schwächeren nehmen kann. Wettkampf der Stärke entscheidet. Nur die Häuptlinge und Priester haben die schönen Frauen. Junge Leute müssen sich mit alten Weiblein begnügen.— Der Raub die regelmäßige Form zu einem Weib zu gelangen. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:109-111.]
der Verlobungsring der Rest der Kette, mit der die Geraubte weggeschleppt wurde [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:113.]
Zwischen Ehegatten ursprünglich die höchste “Kälte und Indifferenz.” Das Weib ist gekauft oder geraubt. Dazu der geheime Gewissensvorwurf, daß die Ehe etwas Naturwidriges und Unsittliches ist: die Gatten leben wesentlich getrennt, nicht Gemeinschaft von Tisch und Bett. Trennung der Geschlechter Grundgedanke der chinesischen Ehe. Das Haus [hat] zwei Theile: im äußeren wohnt der Mann, im inneren die Frau. Die Thür soll sorgfältig verschlossen werden. Jeder soll allein sterben. Es ist die durchgeführte separatio quoad thorum et mensam. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 1. Oldenburg: Schulz, 1880:123f.]
Höhere Verbände von Geschlechtstgenossenschaften: Viele kleine Gemeinwesen ohne alle Verbindung mit einander, oft durch große Wälder getrennt, einem Fürsten Gehorsam und Abgaben leistend, der in die innere Verwaltung der kleinen Gemeinden nicht eingreift (Indien und Sumatra heute noch). Nach innen möglichst fest geschlossen ist so ein Gemeinwesen: die griechische B`84l. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 2. Oldenburg: Schulz, 1881:37f.]
Älteste Scheidung der Stände nach dem Alter: Pietät. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 2. Oldenburg: Schulz, 1881:46f.]
Die Tupinambazes mästeten ihre Kriegsgefangenen an langen Seilen und versahen sie mit Beischläferinnen, bis sie fett genug zum Fraße waren. [Vgl. Albert Hermann Post, Bausteine für eine allgemeine Rechtswissenschaft auf vergleichend-ethnologischer Basis. Bd. 2. Oldenburg: Schulz, 1881:55.]