Herbst 1885 - Frühjahr 1886 1 [1-100]
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— Ich messe darnach, wie weit ein Mensch, ein Volk die furchtbarsten Triebe bei sich fesseln kann und zu seinem Heile wenden, ohne an ihnen zu Grunde zu gehn: vielmehr zu seiner Fruchtbarkeit in That und Werk
— die Auslegung aller Unglücksfalle als die Wirkung unversöhnter Geister ist das, was bisher die großen Massen zu religiösen Culten trieb. Selbst das höhere moralische Leben, das des Heiligen, ist nur als eines der Mittel erfunden worden, um unversöhnte Geister zu befriedigen.
— die Auslegung unserer Erlebnisse als providentieller Winke einer gütigen, erziehenden Gottheit, auch unserer Unglücksfälle:—Entwicklung des väterlichen Gottesbegriffs, von der patriarchalischen Familie aus.
— die absolute Verderbtheit des Menschen, die Unfreiheit zum Guten und folglich die Auslegung aller unserer Handlungen mit der Interpretation des bösen Gewissens: endlich Gnade. Wunder-Akt. Plötzliche Umkehr. Paulus, Augustin, Luther
— die Barbarisirung des Christenthums durch die Germanen: die zwischengöttlichen Wesen, und die Vielheit der Sühnkulte, kurz der vorchristliche Standpunkt kommt wieder. Ebenso das Compositions-system.
— Luther giebt wieder die Grundlogik des Christenthums, die Unmöglichkeit der Moral und folglich der Selbstzufriedenheit, die Nothwendigkeit der Gnade und folglich der Wunder und auch der Prädestination. Im Grunde ein Eingeständniß des Überwundenseins und ein Ausbruch von Selbst-Verachtung.
— “es ist unmöglich, seine Schulden zu bezahlen,” Ausbrüche der Heilsbegierde und der Culte und Mysterien. “Es ist unmöglich, seine Sünde loszuwerden” Ausbruch des Christenthums des Paulus Augustin und Luther. Ehemals war das äußere Unglück der Anstoß religiös zu werden; später das innere Unglücks-Gefühl, die Unerlöstheit, Angst, Unsicherheit. Was Christus und Buddha auszuzeichnen scheint: es scheint das innere Glück zu sein, das sie religiös mache