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Herbst 1885 - Frühjahr 1886 1 [1-100]
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| Das sind getrennte Aufgaben: |
| 1) | die gegenwärtig (und in einem begränzten Culturbereiche) herrschende Art der moralischen Abschätzung von Mensch und Handlungen zu fassen und festzustellen |
| 2) | der gesamte Moral-Codex einer Zeit ist ein Symptom z.B. als Mittel der Selbst-Bewunderung oder Unzufriedenheit oder Tartüfferie: es ist also noch außer der Feststellung des gegenwärtigen Charakters der Moral zweitens die Deutung und Auslegung dieses Charakters zu geben. Denn an sich ist sie vieldeutig. |
| 3) | die Entstehung dieser gerade jetzt herrschenden Urtheilsweise zu erklären |
| 4) | die Kritik derselben zu machen resp. fragen: wie stark ist sie? worauf wirkt sie? was wird aus der Menschheit (oder aus Europa) unter ihrem Banne? Welche Kräfte fördert sie, welche unterdrückt sie? Macht sie gesünder, kränker, muthiger, feiner, kunstbedürftiger usw.? |
| Hier ist schon vorausgesetzt, daß es keine ewige Moral giebt: dies darf als bewiesen gelten. So wenig es eine ewige Art der Urtheile über Ernährung giebt. Aber neu ist die Kritik, die Frage: ist “gut” wirklich “gut”? Und welchen Nutzen hat vielleicht das jetzt Zurückgesetzte und Beschimpfte? Die Zeitdistanzen kommen in Betracht. |