Herbst 1885 - Frühjahr 1886 1 [1-100]
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— wie unbescheiden nimmt sich der Mensch mit seinen Religionen aus, auch wenn er sich noch vor Gott wälzt, gleich dem heiligen Augustin! Welche Zudringlichkeit! Dieses väterliche oder großväterliche Princip im Hintergrunde! [Vgl. Nizza, 31. März 1885: Brief an Franz Overbeck. "Ich las jetzt, zur Erholung, die Confessionen des h[eiligen] Augustin, mit großem Bedauern, daß Du nicht bei mir warst. Oh dieser alte Rhetor! Wie falsch und augenverdreherisch! Wie habe ich gelacht! (zb. über den 'Diebstahl' seiner Jugend, im Grunde eine Studenten-Geschichte.) Welche psychologische Falschheit! (zb. als er vom Tode seines besten Freundes redet, mit dem er Eine Seele gewesen sei, 'er habe sich entschlossen, weiter zu leben, damit auf diese Weise sein Freund nicht ganz sterbe.' So etwas ist ekelhaft verlogen.) Philosophischer Werth gleich Null. Verpöbelter Platonismus, das will sagen, eine Denkweise, welche für die höchste seelische Aristokratie erfunden wurde, zurecht gemacht für Sklaven-Naturen. Übrigens sieht man, bei diesem Buche, dem Christenthum in den Bauch: ich stehe dabei mit der Neugierde eines radikalen Arztes und Physiologen. —"]