Sommer 1886 - Frühjahr 1887 6 [1-26]
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Unter Künstlern der Zukunft.— Ich sehe hier einen Musiker, der die Sprache Rossini’s und Mozart’s wie seine Muttersprache redet, jene zärtliche, tolle, bald zu weiche, bald zu lärmende Volkssprache der Musik mit ihrer schelmischen Indulgenz gegen Alles, auch gegen das “Gemeine,”—welcher sich aber dabei ein Lächeln entschlüpfen läßt, das Lächelndes Verwöhnten, Raffinirten, Spätgeborenen, der sich zugleich aus Herzensgrunde beständig noch über die gute alte Zeit und ihre sehr gute, sehr alte, altmodische Musik lustig macht: aber ein Lächeln voll Liebe, voll Rührung selbst ... Wie? ist das nicht die beste Stellung, die wir heute zum Vergangnen überhaupt haben können—auf diese Weise dankbar zurückblicken und es selbst “den Alten” nachmachen, mit viel Lust und Liebe für die ganze großväterliche Ehrbarkeit und Unehrbarkeit, aus der wir herstammen, und ebenso mit jenem sublimen Körnchen eingemischter Verachtung, ohne welches alle Liebe zu schnell verdirbt und modrig wird, “dumm” wird ... Vielleicht dürfte man sich etwas Ähnliches auch für die Welt des Worts versprechen und ausdenken, nämlich daß einmal ein verwegener Dichter-Philosoph käme, raffinirt und “spätgeboren” bis zum Exceß, aber befähigt, die Sprache der Volks-Moralisten und heiligen Männer von Ehedem zu reden, und dies so unbefangen, so ursprünglich, so begeistert, so lustig-geradewegs, als wenn er selbst einer der “Primitiven” wäre; dem aber, der Ohren noch hinter seinen Ohren hat, einen Genuß ohne Gleichen bietend, nämlich zu hören und zu wissen, was da eigentlich geschieht,—wie hier die gottloseste und unheiligste Form des modernen Gedankens beständig in die Gefühlssprache der Unschuld und Vorwelt zurückübersetzt wird, und in diesem Wissen den ganzen heimlichen Triumph des übermüthigen Reiters mitzukosten, der diese Schwierigkeit, diesen Verhau vor sich aufthürmte und über die Unmöglichkeit selbst hinweggesetzt ist. —