Frühjahr 1871 - Anfang 1872 14 [1-30]
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Aus der Fülle dieser Erkenntnisse, auf die, zur Bekräftigung ihrer ewigen Wahrheit, Richard Wagner im “Beethoven” seinen Stempel gedrückt hat, hebe ich eine Stelle hervor, die für die Erklärung des Ursprungs der Tragödie von höchstem Werte ist. Die Musik, sagt Schopenhauer, läßt jedes Gemälde, ja jede Szene des wirklichen Lebens und der Welt, sogleich in erhöhter Bedeutsamkeit hervortreten: freilich um so mehr, je analoger ihre Melodie dem inneren Geiste der gegebenen Erscheinung ist. Denken wir uns jetzt die erhabenste Steigerung der Musik, so wäre damit ein Mittel gewonnen, jedes Bild der Welt, um kurz zu reden, in einen Mythus zu verwandeln und zum Ausdruck einer ewig-gültigen allgemeinen Wahrheit zu bringen. Dieses ungeheure Vermögen der Musik sehen wir zweimal bisher in der Weltgeschichte zur Mythenschöpfung kommen: und das eine Mal sind wir beglückt genug, diesen erstaunlichen Prozeß selbst zu erleben, um von hier aus auch jenes erste Mal uns analogisch zu verdeutlichen. Wer wird, falls er nur einmal etwas von dieser wahrhaft religiösen Wirkung der mythenschaffenden Musik erfahren hat,