Sommer 1872 - Anfang 1873 19 [151-330]
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Selbst ein ehrenfester Bibelkritiker, wie David Strauß, fängt an, wie eine Köchin aus der chemischen Garküche zu reden, wenn der Hegelsche, Dunst allmählich von ihm abgeflogen ist. [Vgl. David Friedrich Strauss, Der alte und der neue Glaube: ein Bekenntnis. Leipzig: Hirzel, 1872.] Die bekanntlich so “gebildeten” Deutschen verstehen sich darauf, mit Naturwissenschaften sich nur als entlaufene Kandidaten der Theologie zu befassen, und hören nur dahin, wo ihnen das “Wunder” recht kräftig in Verruf gethan erscheint.
Jetzt lernt man nun gar, seiner engen Philisterhaftigkeit recht herzlich froh zu sein—der Philister hat seine Unschuld verloren (Riehl [Wilhelm Heinrich Riehl (1823-97)]). Der Philister und der windige “Gebildete” unserer Zeitungsatmosphäre reichen sich brüderlich die Hand und unter dem gleichen Jauchzen vernichtet der Bonner Afterphilosoph Jürgen Bona-Meyer [(1829-97)] den Pessimismus und Riehl Jahn [Otto Jahn (1813-69)] oder Strauß die neunte Symphonie.
Wie sich so ein buchhändlerisches Gemächte, eben ein Freitagscher Roman [Gustav Freytag (1816-95)] ausnimmt, das empfinden jetzt gar zu wenige: unsere abgeblaßten Herrn von dem Litteraturgewerbe werden da reckenhaft grotesk und reden wie die drei Gewaltigen zusammen—oder sie ergetzen sich an weichlichen Nixen in der Manier des Malers Schwind [Moriz von Schwind (1804-71)].
Wenn ihr nicht groß seid, so hütet euch vor dem Großen.