Sommer 1872 - Anfang 1873 19 [151-330]
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Die einzige Art, die Vielheit zu bezwingen, ist, daß wir Gattungen machen, z. B. kühn eine ganze Menge von Handlungsweisen nennen. Wir erklären sie uns, wenn wir sie unter die Rubrik “kühn” bringen. Alles Erklären und Erkennen ist eigentlich nur ein Rubriziren.— Nun mit kühnem Schwung: die Vielheit der Dinge wird unter einen Hut gebracht, wenn wir sie gleichsam als unzählige Handlungen einer Qualität betrachten z. B. als Handlungen des Wassers, wie bei Thales. Hier haben wir eine Übertragung: eine Abstraktion faßt zahllose Handlungen zusammen und gilt als Ursache. Welches ist die Abstraktion (Eigenschaft), welche die Vielheit aller Dinge zusammenfaßt? Die Qualität “wässerig,” “feucht.” Die ganze Welt ist feucht, also ist Feuchtsein die ganze Welt. Metonymia! Ein falscher Schluß. Ein Prädikat ist verwechselt mit einer Summe von Prädikaten (Definition).
Das logische Denken wenig geübt bei den Ioniern, entwickelt sich ganz langsam. Die falschen Schlüsse werden wir aber richtiger als Metonymien d. h. rhetorisch poetisch fassen.
Alle rhetorischen Figuren (d.h. das Wesen der Sprache) sind logische Fehlschlüsse. Damit fängt die Vernunft an!