Herbst 1880 6 [101-200]
6 [118]
Der Versud sämmtliche moralischen Triebe in den religiösen Tr aufzulösen: Gott befiehlt und seinetwegen thut man etwas. Es ist nicht moralisch mehr. Daß man Gott fürchtet oder liebt, ist nicht eine Folge der Moralität, sondern eine Überlegung des Vortheils. Dies ist der christliche Standpunkt. Es soll nur religiöse Handlungen geben, alle Motive sind egoistisch, und die religiöse Handlung selber wird aus Egoismus gethan. Oder: jede Handlung ist böse. Also auch die religiöse. Deshalb Gnadenwahl! Dagegen sagen die Quietisten: ich handle nicht mehr um meinetwillen, sondern um Gottes willen. Welcher Tiefstand der Selbstkenntniß! Welche Unredlichkeit gehört dazu! Man ermesse es an der Frau, die sagt “ich thue alles um meines Geliebten willen!” Es ist nicht wahr! ja selbst dies “um des G willen” thut sie um ihrem Triebe zu folgen und nicht seinem. Denn da würde sie handeln wie er: was unmöglich ist. Sie kann nur nach dem Bilde des Geliebten handeln, das sie sich von ihm macht: ihr Erzeugniß wird gewiß nicht = dem Geliebten, sondern ein Stück von ihr.