Herbst 1880 6 [101-200]
6 [144]
die Moralität ist eine Summe von Irrthümern, welche sich an die Triebe angeschmolzen haben, so daß wenn der Irrthum gesagt wird, der Trieb sich regt—übrigens wechselnd und ohne concordia. Diese Irrthümer beziehen sich auf das Handeln des Menschen vom Gesichtspunkt des Lobens- und Tadelnswerthen aus: und hinter Loben und Tadeln liegt die Voraussetzung, daß man den Zweck des Menschen kennt und ebenso daß man die Art des Handelns kennt und daß man an die Freiheit des Hs glaubt: ebenso daß man an die Identität der Menschen oder bestimmter Gruppen glaubt, also mit gleichwerthigen Pflichten und Handlungen: daß man wisse, was jenem letzten Zweck nützlich ist, was nicht. Es sind lauter Anmaaßungen des Intellekts. Aber die dadurch modificirten Triebe wollen ihre Befriedigung, und dies treibt Moralsysteme auch heraus, immer neue Versuche, diese Triebe nachträglich mit der Wahrheit im Einklang zu finden—während die naiven Menschen alle anderen Erkenntnisse nach den moralischen Trieben auf ihre Wahrheit hin messen. Das Grundvorurtheil ist:—“das Moralische allein ist wahr.”