Herbst 1880 6 [101-200]
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“Arrangire dich so, daß du das größtmögliche Glück von deinen Eigenschaften hast” das ist albern! Denn ohne allen Befehl: genau dies erreicht ein Jeder, er mag leben, wie er will—nämlich muß! Daß er Vorschriften und Kenntnisse des Nützlichen erlangt, erwerben will, verlernt, abweist, das alles ist ein nothwendiges Wirken seiner Natur. Die Moral kann nichts thun als Bilder des Menschen aufzustellen wie die Kunst: vielleicht daß sie auf diesen und jenen wirken. Sie kann sie, streng genommen, nicht beweisen. “Höher” und “tiefer”—das sind schon Illusionen unter dem Eindruck eines moralischen Musters. Diese Bilder nämlich wirken als Reize, entzünden einen Trieb und verführen den Intellekt, ihm zu dienen. Nun ist unser Intellekt schon in einer bestimmten Höhe, ebenso unser Geschmack: also werden wir sehr viele Bilder abweisen,—sie ekeln uns an: in einem gegebenen Augenblicke unserer Kräfte können wir nicht anders als diese Bilder nachahmen. Dieser psychologische Zwang erscheint uns oft als “Pflicht”: das Gefühl der unbedingten Nothwendigkeit, der Ausdruck der Causalität. Das innere Müssen. Z. B. in Hinsicht auf das Einmaleins, die Mechanik empfinden wir als Denker Pflicht, ebenso bei A = A : Menschen eines schlechten Intellekts fühlen hier den Zwang nicht. Natürlich ist dies subjektive Gefühl des Zwanges eben nur subjektiv. Viele Personen haben in nichts ein solches strenges Gefühl. Aber der Ekel, der uns befällt, beim Anblick von Maden, ist ein Zwang: einen solchen Zwang verschönern wir uns mit dem Worte Pflicht, wo wir genau wissen, daß gegenstrebende Zwange da sind.(??)