Herbst 1880 6 [201-300]
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Nicht daß wir den Menschen helfen und nützen wollen: nein, daß wir Freude haben an den Menschen, das ist das Wesentliche am sogenannten guten Menschen und an der Moralität. Es ist das Neue, das Späterreichte. Unsere “guten Handlungen” verstehen sich bei dieser Freude von selber: wenn wir sie nicht fürchten und nicht anfeinden und doch zahllose Relationen zu ihnen haben, so können dies keine anderen sein als solche, welche unsere Freude an ihnen vermehren d. h. wir bemühen uns, sie im Streben nach stilisirter Individualität zu fördern, mindestens den Anblick des Häßlichen (Leidenden) zu beseitigen. Liebe zu den Menschen?? Aber ich sage: Freude an den Menschen! Und damit diese nicht unsinnig ist, muß man helfen, daß es das giebt, was uns erfreut.— Man sieht: die Redlichkeit über uns und die Anerkennung der fremden Natur, die Geschmacksentwicklung, welche den Anblick schöner freudiger Menschen nöthig hat, muß vorausgehen. Hier findet eine Selection statt: wir suchen die aus, die uns Freude machen und fördern sie und fliehen vor den Anderen—das ist die rechte Moralität! Absterbenmachen der Kläglichen Verbildeten Entarteten muß die Tendenz sein! Nicht aufrechterhalten um jeden Preis! So schön die Gesinnung der Gnade gegen die unser Unwürdigen ist, und das Helfen gegen die Schlechten und Schwachen—im Ganzen ist es eine Ausnahme, und es würde die Menschheit dabei im Ganzen gemein werden (wie z. B. durch das Christenthum) Immer ist auf die natürlichen Triebe zu bauen: “Freude zu machen dem, der uns erfreut, und Leid dem, der uns verdrießt.” Wir vertilgen die wilden Thiere, und wir züchten die zahmen: dies ist ein großer Instinkt. Wir entarten selber beim Anblick des Häßlichen und der Berührung mit ihm; Schutzdämme aufwerfen! Es nivelliren zu einer Nutzbarkeit! und dergleichen.
Wenn man nur mit denen verkehrt, deren Berührung uns erfreut und erhebt, so werden sich Gruppen und Schichten bilden, die wiederum in einem solchen Verhältniß von näherer oder fernerer Entfremdung stehen. Dies ist sehr gut, ein nothwendiger Bau der Gesellschaft, aus Redlichkeit!