Frühjahr 1884 25 [401-526]
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— Grundproblem der “Ethik.”
Leid- und Lustmachen: mitleiden, wehethun—das setzt alles schon eine Werthschätzung von Leid und Lust voraus. “Nützlich,” “schädlich” sind höhere Begriffe: es kann sein, daß ich wehethun (und “auf schlechte Weise” wohlthun!) muß, um zu nützen. Gar im weiteren Sinne: es könnte sein, daß ich die ganze Immoralität brauchte, um im großen Sinne zu nützen.
Aber was ist ursprünglicher, Lust und Leid—oder “nützlich und schädlich”?
Ist vielleicht alles Schmerz- und Lustempfinden erst eine Wirkung des Urtheils “nützlich, schädlich” (gewohnt, Sicher, ungefährlich, bekannt usw.)?
Im Urtheil über gewisse Dinge sehen wir Ekel verschwinden: die Harmonie der Töne ursprünglich ohne Lust. Der Genuß an Linien vielfach unbegreiflich. Der Genuß an Formeln, an dialektischen Bewegungen entsteht erst.
Wenn aber Lust und Unlust erst Resultate von Werthschätzungen sind so liegen die Ursprünge der Werthschätzung nicht in den Empfindungen. Die Urtheile “höhere” und “niedere Funktionen” müssen schon in allen organischen Gebilden da sein, lange vor allen Lust- und Unlust-Empfindungen.
Die Rangordnung ist das erste Resultat der Schätzung: im Verhältniß der Organe zu einander müssen schon alle Tugenden geübt werden—Gehorsam, Fleiß, Zu-Hülfekommen, Wachsamkeit—es fehlt ganz der Maschinen-Charakter in allem Organischen (Selbst-Regulirung).