Oktober 1888 23 [1-14]
23 [14]
An diesem vollkommenen Tage, wo alles reift und nicht nur die Traube gelb wird, fiel mir eben ein Sonnenblick auf mein Leben—ich sah rückwärts, ich sah hinaus,—ich sah nie so viel und so gute Dinge auf einmal. Nicht umsonst begrub ich eben das vierundvierzigste Jahr ich durfte es: was in ihm Leben war, ist gerettet,—ist unsterblich. Das erste Buch der Umwerthung der Werthe; die ersten 6 Lieder Zarathustras; die Götzen-Dämmerung, mein Versuch mit dem Hammer zu philosophiren—Alles Geschenke dieses Jahres, sogar seines letzten Vierteljahrs—wie sollte ich nicht meinem ganzen Leben dankbar sein!...
Und so erzähle ich mir mein Leben.
Wer den geringsten Begriff von mir hat, erräth, daß ich mehr erlebt habe, als irgend ein Mensch. Das Zeugniß ist sogar in meinen Büchern geschrieben: die, Zeile für Zeile, erlebte Bücher aus einem Willen zum Leben sind und damit, als Schöpfung, eine wirkliche Zuthat, ein Mehr jenes Lebens selber darstellen. Ein Gefühl, das mich oft genug überkommt: eben wie ein deutscher Gelehrter es mit bewunderungswürdiger Unschuld von sich und seinen Dingen sprach: jeder Tag bringt dem mehr als denen ihr ganzes Leben bringt! Schlimmes unter anderem—es ist kein Zweifel! Aber das ist die höchste Auszeichnung des Lebens, daß es uns auch seine höchste Gegnerschaft entgegenstellt ...