Frühjahr-Sommer 1883 7 [101-274]
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37) Wer einigermaßen sich vom Leibe eine Vorstellung geschaffen hat—wie viele Systeme da zugleich arbeiten, wie viel für einander und gegen einander gethan wird, wie viel Feinheit in der Ausgleichung usw. da ist: der wird urtheilen, daß alles Bewußtsein dagegen gerechnet Etwas Armes und Enges ist: daß kein Geist nur annähernd ausreicht für das, was vom Geiste hier zu leisten wäre und vielleicht auch daß der weiseste Sittenlehrer und Gesetzgeber sich plump und anfängerhaft inmitten dieses Getriebes von Krieg der Pflichten und Rechte fühlen müßte. Wie wenig wird uns bewußt! Wie sehr führt dies Wenige zum Irrthum und zur Verwechslung! Das Bewußtsein ist eben ein Werkzeug: und in Anbetracht, wie viel und Großes ohne Bewußtsein geleistet wird, nicht das nöthigste, noch das bewunderungswürdigste. Im Gegentheil: vielleicht giebt es kein so schlecht entwickeltes Organ, kein so vielfach fehlerhaftes, fehlerhaft arbeitendes: es ist eben das letzt-entstandene Organ, und also noch ein Kind—verzeihen wir ihm seine Kindereien! Zu diesen gehört außer vielem Anderen die Moral, als die Summe der bisherigen Werthurtheile über Handlungen und Gesinnungen der Menschen.
Also müssen wir die Rangordnung umdrehen: alles Bewußte ist nur das Zweit-Wichtige: daß es uns näher und intimer ist, wäre kein Grund, wenigstens kein moralischer Grund, es anders zu taxiren. Daß wir das Nächste für das Wichtigste nehmen, ist eben das alte Vorurtheil.— Also umlernen! in der Hauptschätzung! Das Geistige ist als Zeichensprache des Leibes festzuhalten!