Juni-Juli 1885 38 [1-22]
38 [2]
Das logische Denken, von dem die Logik redet, ein Denken, wo der Gedanke selbst als Ursache von neuen Gedanken gesetzt wird—, ist das Muster einer vollständigen Fiktion: ein Denken der Art kommt in Wirklichkeit niemals vor, es wird aber als Formen-Schema und Filtrir-Apparat angelegt, mit Hülfe dessen wir das thatsächliche, äußerst vielfache Geschehen beim Denken verdünnen und vereinfachen: so daß dergestalt unser Denken in Zeichen faßbar, merkbar, mittheilbar wird. Also: das geistige Geschehen so zu betrachten, wie als ob es jenem regulativem Schema eines fingirten Denkens wirklich entspräche, das ist das Kunststück von Fälschung vermöge deren es etwas wie “Erkenntniß” und “Erfahrung” giebt. Erfahrung ist nur möglich mit Hülfe von Gedächtniß; Gedächtniß ist nur möglich mittelst einer Abkürzung eines geistigen Vorgangs zum Zeichen. “Erkenntniß”: das ist der Ausdruck eines neuen Dings durch die Zeichen von schon “bekannten,” schon erfahrenen Dingen.— Heute freilich faselt man gar von einem empirischen Ursprung der Logik: aber was nicht in der Wirklichkeit vorkommt, wie das logische Denken, kann auch nicht aus der Wirklichkeit genommen sein, ebenso wenig als irgend ein Zahlengesetz, während es noch keinen Fall gegeben hat, in welchem die Wirklichkeit mit einer arithmetischen Formel sich gedeckt hätte. Die arithmetischen Formeln sind ebenfalls nur regulative Fiktionen, mit denen wir uns das wirkliche Geschehen, zum Zweck praktischer Ausnützung, auf unser Maaß—auf unsre Dummheit—vereinfachen und zurechtlege.