Juni-Juli 1885 38 [1-22]
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Ohne ein leidenschaftliches Vergnügen an den Abenteuern der Erkenntniß wird es Einer schwerlich lange in ihrem gefahrvollen Reiche aushalten; und Jedem, der für derlei “Ausschweifungen” zu feige oder zu keusch ist, sei es billigerweise zugestanden, sich auch daraus eine Tugend und ein Lob zurecht zu machen. Für die stärkeren Geister aber gilt jene Forderung, daß man zwar ein Mensch der Leidenschaft, aber auch der Herr seiner Leidenschaften sein müsse, auch hinsichtlich ihrer Leidenschaft zur Erkenntniß. Wie Napoleon, zum Erstaunen Talleyrand’s, seinen Zorn zur gewählten Zeit bellen und brüllen ließ und dann wieder, ebenso plötzlich, zum Schweigen brachte, so soll es der starke Geist auch mit seinen wilden Hunden machen: er muß, wie heftig auch immer in ihm der Wille zur Wahrheit ist—es ist sein wildester Hund—, zur gewählten Zeit der leibhafte Wille zur Unwahrheit, der Wille zur Ungewißheit, der Wille zur Unwissenheit, vor Allem zur Narrheit sein können.