Sommer 1872 - Anfang 1873 19 [1-150]
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Die großen alten Philosophen gehören in das Allgemein[le]ben des Hellenischen: nach Sokrates bilden sich Sekten. Allmählich verliert die Philosophie die Zügel der Wissenschaft aus den Händen.
Im Mittelalter übernimmt die Theologie die Zügel der Wissenschaft: jetzt gefährliche Emancipationszeit.
Die allgemeine Wohlfahrt will wieder eine Bändigung und dadurch zugleich Erhebung und Concentration.
Das laisser aller unserer Wissenschaft, wie bei gewissen nationalökonomischen Dogmen: man glaubt an einen unbedingt heilsamen Erfolg.
Kant hat in gewissem Sinne mit schädlich eingewirkt: denn der Glaube an die Metaphysik ist verloren gegangen. Auf sein “Ding an sich” wird niemand rechnen können, als ob es ein bändigendes Princip sei.
Jetzt begreifen wir die merkwürdige Erscheinung Schopenhauer’s: er sammelt alle Elemente, die zur Beherrschung der Wissenschaft noch taugen. Er kommt auf die tiefsten Urprobleme der Ethik und der Kunst, er wirft die Frage vom Werthe des Daseins auf.
Wunderbare Einheit Wagner’s und Schopenhauer’s! Sie entstammen dem gleichen Triebe. Die tiefsten Eigenschaften des germanischen Geistes rüsten sich hier zum Kampfe: wie bei den Griechen. Wiederkehr der Besonnenheit.