Sommer 1872 - Anfang 1873 19 [1-150]
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Es ist zwiefach eine künstlerische Kraft da, die bildererzeugende und die auswählende.
Die Traumeswelt beweist die Richtigkeit: der Mensch geht hier nicht bis zur Abstraktion weiter, oder: er wird nicht von den Bildern, die durch’s Auge einströmen, geleitet und modificirt.
Sieht man jene Kraft näher an, so ist hier auch kein künstlerisches ganz freies Erfinden: das wäre etwas Willkürliches, also Unmögliches. Sondern die feinsten Ausstrahlungen von Nerventhätigkeit auf einer Fläche gesehn: sie verhalten sich wie die Chladni’schen Klangfiguren zu dem Klang selbst: so diese Bilder zu der darunter sich bewegenden Nerventhätigkeit. [Ernst Friedrich Chladni (1756-1827).] Das allerzarteste sich Schwingen und Zittern! Der künstlerische Prozeß ist physiologisch absolut bestimmt und nothwendig. Alles Denken erscheint uns auf der Oberfläche als willkürlich, als in unserem Belieben: wir bemerken die unendliche Thätigkeit nicht.
Einen künstlerischen Vorgang ohne Gehirn zu denken ist eine starke Anthropopathie: aber ebenso steht es mit dem Willen, der Moral usw.
Das Begehren ist doch nur eine physiologische Ubertät, die sich entladen möchte, und einen Druck bis zum Gehirn ausübt.