Sommer 1872 - Anfang 1873 19 [1-150]
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Das philosophische Denken ist mitten in allem wissenschaftlichen Denken zu spüren: selbst bei der Conjektur. Es springt voraus auf leichten Stützen: schwerfällig keucht der Verstand hinter drein und sucht bessere Stützen, nachdem ihm das lockende Zauberbild erschienen ist. Ein unendlich rasches Durchfliegen großer Räume! Ist es nur die größere Schnelligkeit? Nein. Es ist Flügelschlag der Phantasie, d. h. ein Weiterspringen von Möglichkeit zu Möglichkeit, die einstweilen als Sicherheiten genommen werden. Hier und da von Möglichkeit zu einer Sicherheit und wieder zu einer Möglichkeit.—
Was ist aber eine solche “Möglichkeit”? Ein Einfall z. B. “es könnte vielleicht.” Aber wie kommt der Einfall? Mitunter zufällig äußerlich: ein Vergleichen, das Entdecken irgend einer Analogie findet statt. Nun tritt eine Erweiterung ein. Die Phantasie besteht im schnellen Ähnlichkeiten-schauen. Die Reflexion mißt nachher Begriff an Begriff und prüft. Die Ähnlichkeit soll ersetzt werden durch Causalität.
Ist denn nun “wissenschaftliches” Denken und “philosophisches” nur durch die Dosis verschieden? Oder vielleicht durch die Gebiete?