Anfang 1874 bis Frühjahr 1874 32 [1-83]
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Die eine Eigenschaft Wagner’s: Unbändigkeit, Maasslosigkeit, er geht bis auf die letzten Sprossen seiner Kraft, seiner Empfindung.
Die Heiterkeit Wagner’s ist das Sicherheitsgefühl dessen, der von den grössten Gefahren und Ausschweifungen zurückkehrt, in’s Begrenzte und Heimische: alle Menschen, mit denen er umgeht, sind solche begrenzte Abschnitte aus seinem eignen Laufe (wenigstens empfindet er nichts mehr an ihnen) deshalb kann er hier heiter und überlegen sein, denn hier kann er mit allen Nöthen Bedenken spielen.
Die andere Eigenschaft ist eine grosse schauspielerische Begabung, die versetzt ist, die sich in anderen Wegen Bahn bricht als auf dem ersten nächsten: dazu nämlich fehlt ihm Gestalt Stimme und die nöthige Bescheidung.
Keiner unserer grossen Musiker war in seinem 28ten Jahr ein noch so schlechter Musiker wie Wagner.
Im Tannhäuser sucht er eine Reihe von ekstatischen Zuständen an einem Individuum zu motiviren: er scheint zu meinen, erst in diesen Zuständen zeige sich der natürliche Mensch.
In den Meistersingern und in Theilen seiner Nibelungen kehrt er zur Selbstbeherrschung zurück: er ist darin grösser als in dem ekstatischen Sichgehenlassen. Die Beschränkung steht ihm wohl.
Ein Mensch, der durch seinen Kunsttrieb disciplinirt wird.
Er entladet sich seiner Schwächen, dadurch dass er sie der modernen Zeit zuschiebt: natürlicher Glaube an die Güte der Natur, wenn sie frei waltet.
Er misst Staat Gesellschaft Tugend Volk, Alles an seiner Kunst: und in unbefriedigtem Zustande wünscht er, dass die Welt zu Grunde gehe.
Die Jugend Wagner’s ist die eines vielseitigen Dilettanten, aus dem nichts Rechtes werden will.
Ich habe oft unsinniger Weise bezweifelt, ob Wagner musikalische Begabung habe.
Seine Natur theilt sich allmählich: neben Siegfried, Walter, Tannhäuser tritt Sachs-Wotan. Er lernt den, Mann zu begreifen, sehr spät. Tannhäuser und Lohengrin sind Ausgeburten eines Jünglings.
Er lief seinem Amte davon, weil er nicht mehr dienen mochte.