Herbst 1881 15 [1-72]
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Dies ist zum Verzweifeln: aus der Geschichte lehrt man uns, daß alle großen Menschen höchst ungerecht waren, und daß ohne die unbedenkliche Überschätzung ihres Gedankens und Entwurfs, ohne eine tiefe innerliche ungebrochene fraglose Ungerechtigkeit sie nicht zu ihrer Größe gekommen wären—auch Jesus nicht, der wahrlich die Menschen nicht gerecht beurtheilt hat. Wie! Und nun sollte also die von uns geforderte Erziehung zur Gerechtigkeit, wie man uns entgegenhält, die Menschen abhalten groß zu werden? Ihnen den großartigen Zug und Schwung und beinahe allen Instinkt nehmen? Und man müßte vielmehr solchen, die zur Größe bestimmt seien, die Augen zuhalten und die Schlinge des Wahns um den Hals werfen und dankbar sein, wenn ihr Schicksal ihre Augen ganz blind macht?— Es sei, wie es sei: wir wollen gerecht werden und es darin so weit treiben als es uns irgend möglich ist. Vielleicht auch hat man uns getäuscht, und viele jener großen M[enschen] waren nicht groß, sondern eben nur ungerecht, und andere von ihnen eben dadurch, daß auch sie ihre Gerechtigkeit so weit trieben, als ihre Einsicht, ihre Zeit, ihre Erziehung, ihre Gegner es ihnen möglich machten. Sie glaubten an ihre Gerechtigkeit vielleicht sicherer als wir an ihre Ungerechtigkeit!