Herbst 1883 16 [1-90]
16 [17]
Ersatz der Rache: sobald man begriffen hat, daß der Eingriff in unser Machtgefühl es war, was uns so kränkte, soll man darüber nachdenken, wie man sich eine Steigerung des Machtgefühls schafft. Es ist eine Geistes-Armut, dabei stehn zu bleiben, daß man den Schädiger selber schädigt und mehr schädigt. Dies ist aber noch der Fall bei unserem Strafrecht. Hier ist das Gemeinde-Machtgefühl beleidigt, wenn Jemand das Gesetz bricht: eine kühne Unternehmung, eine noble Handlung zum Besten des Gemeinwesens könnte recht wohl dagegen gerechnet werden! Es sollten Einzelne einen Schaden so wieder gut machen, den andere Einzelne stiften: gleichsam als überschüssige Gutthäter.— Ist aber der Einzelne beleidigt, so soll er sich eine Stufe höher begeben und so sein Machtgefühl herstellen und erweitern. Die ganze Gemeinheit der Elenden soll ein Sporn und eine Leiter der Edlen werden.— Aber man soll nicht einzelne Handlungen vergelten: Handlungen sind Symptome des ganzen Wesens—es giebt keine einmaligen Handlungen. Sobald ich erkenne: “ein Mensch ist dessen fähig”—so ist meine Gesammt-Stellung zu ihm verändert: von jetzt ab gilt er mir als Feind und ich will ihn nicht nur bekämpfen, sondern vernichten.— “Er gehört nicht mehr zu uns” ist unsere Maßregel.
Mein Programm: Beseitigung der Strafe: für uns. Unsinn in der Wiedervergeltung. (Ist etwas Böse, so thut ja der Wiedervergelter ebenfalls das Böse.) Nicht abschrecken ist der Zweck, sondern sich schützen vor weiterem Schaden (nebst Ärger darüber, daß wir zu arglos waren)