Juni-Juli 1885 36 [1-60]
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Wie lange ist es nun her, daß ich bei mir selber bemüht bin, die vollkommne Unschuld des Werdens zu beweisen! Und welche seltsamen Wege bin ich dabei schon gegangen! Ein Mal schien mir dies die richtige Lösung, daß ich dekretirte: “das Dasein ist, als etwas von der Art eines Kunstwerks, gar nicht unter der juridictio der Moral; vielmehr gehört die Moral selber in’s Reich der Erscheinung.” Ein ander Mal sagte ich: alle Schuld-Begriffe sind objective völlig werthlos, subiective aber ist alles Leben nothwendig ungerecht und alogisch. Ein drittes Mal gewann ich mir die Leugnung aller Zwecke ab und empfand die Unerkennbarkeit der Causal-Verknüpfungen. Und wozu dies Alles? War es nicht, um mir selber das Gefühl völliger Unverantwortlichkeit zu schaffen—mich außerhalb jedes Lobs und Tadels, unabhängig von allem Ehedem und Heute hinzustellen, um auf meine Art meinem Ziele nachzulaufen? — [Vgl. Maximilian Drossbach, Ueber die scheinbaren und die wirklichen Ursachen des Geschehens in der Welt. Halle: Pfeffer, 1884:2f.]