Juni-Juli 1885 36 [1-60]
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Die Deutschen sind noch nichts, aber sie werden etwas; also haben sie noch keine Kultur,—also können sie noch keine Cultur haben! Dies ist mein Satz: mag sich daran stoßen, wer es muß: nämlich wer Deutschthümelei im Schädel (oder im Schilde) führt!— Sie sind noch nichts: das heißt: sie sind allerlei. Sie werden etwas: das heißt, sie hören einmal auf, allerlei zu sein. Dies letzte ist im Grunde nur ein Wunsch, kaum noch eine Hoffnung; glücklicher Weise ein Wunsch, auf den hin man leben kann, eine Sache des Willens, der Arbeit, der Zucht, der Züchtung so gut als eine Sache des Unwillens, des Verlangens, der Entbehrung, des Unbehagens, ja der Erbitterung: kurz, wir Deutschen wollen Etwas von uns, was man vor uns noch nicht wollte—wir wollen Etwas “mehr”!
Daß diesem “Deutschen was wird und noch nicht ist”—etwas Besseres zukommt als die heutige deutsche “Bildung,” daß alle “Werdenden” ergrimmt sein müssen, wo sie eine Zufriedenheit auf diesem Bereiche, ein dreistes “Sich-zur-Ruhesetzen” oder “Sich-selbst-Anräuchern” wahrnehmen: das ist mein zweiter Satz, über den ich auch noch nicht umgelernt habe.